Zum Vorkommen des Fischadlers in Niedersachsen 2020 und 2021
Abb. 1: Zwei junge Fischadler kurz nach der Beringung am 7.Juli 2021 in der Region Steinhuder Meer (Foto: Joachim Neumann) |
In den Jahren 2020 und 2021 wurden insgesamt 28 bzw. 30 besetzte Fischadlerreviere in Niedersachsen festgestellt. Mit einem Bestand von 27 Brutpaaren im Jahr 2020 und 28 Brutpaaren im Jahr 2021 hat der Brutbestand einen neuen Höchststand erreicht. Von den 27 bzw. 28 Brutpaaren hatten 21 bzw. 22 Paare Bruterfolg und es flogen in 2020 insgesamt 52 Jungvögel und 54 Junge im Jahr 2021 aus. Mit 54 flüggen Jungen ist der bisherige Rekordwert seit Beginn der Besiedlung in Niedersachsen 1991 erreicht. Im Elbe- Einzugsbereich gelangen keine neuen Bruthinweise, während es in der Lüneburger Heide und in der Südheide erfreulicherweise gleich drei Neuansiedlungen in Kiefernwäldern gab. Dabei wurden zwei Kunsthorste angenommen und bei Munster ein neuer Naturhorst errichtet. Besonders erfreulich ist eine Neuansiedlung im Jahr 2021 in der nördlichen Lüneburger Heide vor den Toren Hamburgs, womit auch ein weiterer Schritt Richtung Schleswig-Holstein gemacht wurde. Weitere Neuansiedlungen gab es in beiden Jahren im Umfeld vom Steinhuder Meer und in der Dümmerregion. Erstmalig wurden in Niedersachsen 2021 auch an einem Brutplatz im Umfeld des Steinhuder Meeres von Joachim Neumann (AAN) zwei junge Fischadler beringt (s. Abb. 1). Neben einem Vogelwartenring erhielten die Vögel jeweils auch einen codierten Kennring, um zukünftige Ablesungen zu erleichtern. Durch die Beobachtungen der Ring- vögel und entsprechende Rückmeldungen sollen in den Folgejahren möglichst viele Informationen über den Verbleib niedersächsischer Fischadler gewonnen werden. Weitere Beringungen sind ab 2022 an mehreren Standorten in Niedersachsen geplant.
Arne Torkler
Arbeitsgemeinschaft Adlerschutz Niedersachsen
Schwarzstorch- Brutbericht aus Schleswig-Holstein 2022
Nach 10 im vergangenen Jahr in Schleswig- Holstein besetzten Revieren, sank die Zahl der festgestellten Revier- bzw. Brutpaare in diesem Jahr auf sieben Paare und damit dem langjährigen Mittel des Landesbestandes. Allerdings lassen Beobachtungen von Jungvögeln nach dem Ausfliegen in potentiellen Schwarzstorchrevieren die Hoffnung zu, dass sich diese Zahl noch erhöhen könnte. In einem Fall wurde ein geschwächt wirkender Jungvogel mit Resten des Dunengefieders fotografiert, der vermutlich aus einer unbekannten Brut in der Umgebung stammte. Daher werden in den Wintermonaten erneut umfangreiche Nestsuchen starten. Insgesamt wurden 15 Jungvögel flügge, darunter zwei Bruten mit jeweils vier Jungvögeln. An zwei Nestern gab es Brutabbrüche, u.a. nachgewiesen durch Videoaufzeichnen der von uns montierten Nestkameras. Unter den 15 Jungvögeln befanden sich drei Junge im Alter von circa vier Wochen, die von uns nach dem Ausfall eines Altvogels vorzeitig dem Nest genommen wurden, um sie vor dem sicheren Hungertod zu retten. Die Jungstörche wurden in die NABU-Pflegestation nach Leiferde transportiert und konnten dort später erfolgreich ausgewildert werden.
Schwerpunkt der Schwarzstorch-Brutverbreitung in Schleswig-Holstein ist der Kreis Rendsburg- Eckernförde mit drei Paaren. In den Kreisen Herzogtum Lauenburg, Steinburg, Ostholstein und Plön wurde jeweils ein Paar registriert. Sechs der untersuchten Nester befanden sich in Privatwäldern sowie ein Nest in einem Kommunalwald. In Gesprächen mit allen beteiligten Waldeigentümern konnte erreicht werden, dass wir deren Zustimmung für eine Überwachung des Brutgeschehens mittels Nestkamera erhielten. Dadurch konnten weitere wichtige Erkenntnisse zur Brutbiologie und zum Verhalten der Schwarzstörche in Schleswig-Holstein gewonnen werden (siehe auch Jahresbericht Großvogelschutz im Wald 2021). Allen beteiligten Waldeigentümern sei für Ihre Rücksichtnahme bei den forstlichen Arbeiten und der Jagdausübung zum Wohle der Schwarzstörche herzlich gedankt.
Allen Sponsoren, die die Anschaffung und Installation der Nestkameras ermöglicht haben, gilt zudem unser besonderer Dank.
Der GPS-besenderte Schwarzstorch „Kaedi“ ist tot
Abb.: Schwarzstorch “Kaedi” mit seiner Partnerin und den drei Jungstörchen auf dem Nest. |
Nachdem bereits im Jahresbericht 2020 ein ausführlicher Beitrag über den im Jahr 2015 in Frankreich besenderten und nach einer Stadt in seinem Überwinterungsgebiet Mauretanien benannte Schwarzstorch „Kaedi“ erschienen ist, müssen wir leider an dieser Stelle das tragische Ende dieses Vogels mitteilen. Dieser GPS- besenderte Schwarzstorch hat uns über sieben Jahre viele wichtige Informationen und Erkenntnisse seit seinem erstmaligen Auftreten in Schleswig-Holstein im Jahr 2016 geliefert.
Nachdem bereits im Jahresbericht 2020 ein ausführlicher Beitrag über den im Jahr 2015 in Frankreich besenderten und nach einer Stadt in seinem Überwinterungsgebiet Mauretanien benannte Schwarzstorch „Kaedi“ erschienen ist, müssen wir leider an dieser Stelle das tragische Ende dieses Vogels mitteilen. Dieser GPS- besenderte Schwarzstorch hat uns über sieben Jahre viele wichtige Informationen und Erkenntnisse seit seinem erstmaligen Auftreten in Schleswig-Holstein im Jahr 2016 geliefert.
Joachim Kock & Arne Torkler
Arbeitsgemeinschaft Schwarzstorchschutz
Seeadler- Brutbestand Sachsen-Anhalt in 2017
Nach einem relativ stabilen Bestand zwischen den Jahren 2010 bis 2014 wuchs der Brutbestand des Seeadlers in Sachsen-Anhalt in den Jahren 2015 bis 2017 weiter an. Im Jahr 2017 wurden 50 Revierpaare erfasst. Davon hatten 39 Brutpaare ein Nest (s. Abb.).
Abb.: Brutverbreitung des Seeadlers in Sachsen-Anhalt im Jahr 2017. Die gefüllten Symbole sind Paare mit Bruterfolg. |
Von den erfolgreichen Paaren wurde in 2017 folgende Jungenzahlen aufgezogen: 12x 2 Jungvögel und 10x 1 Jungvogel. Insgesamt flogen somit 34 junge Seeadler aus. Mit 16 Paaren im Jahr 2017 lag der Anteil erfolgloser Paare weiterhin recht hoch, jedoch im langjährigen Durchschnitt. Der Bruterfolg betrug 58 %. Die Reproduktion blieb mit 0,9 Juv/Bpa bzw.1,5 Juv/Bpm im Bereich langjähriger Werte. Im Jahr 2017 konnte der Bruterfolg bei einem Brutpaar nicht kontrolliert werden.
Im Rahmen des internationalen Beringungsprogramms wurden in Sachsen-Anhalt im Jahr 2015 10 (31 % aller flügge gewordenen Jungvögel), 2016 8 (26 %) und 2017 ebenfalls 8 (24 %) Jungvögel mit Farbringen markiert.
Stefan Fischer & Gunthard Dornbusch
aus: Bestandssituation ausgewählter Brutvogelarten in Sachsen-Anhalt – Bericht für die Jahre 2015 bis 2017
Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt Heft 1/2019: 5 – 57
Todesursachen von Seeadlern in Schleswig-Holstein
Einleitung
In Fortschreibung der Totfundanalyse bei Seeadlern aus Schleswig-Holstein für die Jahre 1997 bis 2011 (Struwe-Juhl & Latendorf 2012), haben wir nach nunmehr 10 Jahren erneut eine Aktualisierung der Ergebnisse vorgenommen. Im Zusammenhang mit den von der Projektgruppe Seeadlerschutz Schleswig-Holstein durchgeführten Artenschutzmaßnahmen wurden tot aufgefundene Vögel medizinisch und toxikologisch untersucht, um die Todesursachen zu erforschen. Hierzu wurden viele der von uns aufgefundenen Seeadler an das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) nach Berlin eingesandt, um sie in das langfristig angelegte Todesursachen-Untersuchungsprogramm an Seeadlern in Deutschland einzubinden (Krone et al. 2002). Ein besonderer Dank gebührt an dieser Stelle Dr. Oliver Krone, für die kooperative Zusammenarbeit sowie die Überlassung der veterinär-medizinischen und toxikologischen Untersuchungsergebnisse. Der WWF Deutschland half bei der Finanzierung der toxikologischen Untersuchungen.
Todesursachen 1997 - 2021
Die Grundlage für die vorliegende Betrachtung bilden die Seeadlerfunde aus Schleswig-Holstein aus den letzten 24 Jahren, also von 1997 bis 2021. In dem genannten Zeitraum
Abb.1: Todesursachen von Seeadlern in Schleswig-Holstein im Zeitraum 1997-2021 (nach Daten der Projektgruppe Seeadlerschutz) |
wurden 284 Seeadler tot aufgefunden bzw. wurden so schwer verletzt, dass sie eingeschläfert werden mussten. Zu allen Funden liegen Totfundprotokolle mit eingehender Beschreibung der Fundumstände und dem Zustand der Vögel vor. Mit Hilfe der veterinär-medizinischen Untersuchungen im IZW konnten von uns von insgesamt 204 Seeadlern die Todesursachen bestimmt werden, von insgesamt 80 Vögeln blieben die Todesumstände jedoch unklar (Abb. 1). In dem untersuchten Zeitraum 1997-2021 waren die Kollisionen von Seeadlern mit Eisenbahnen mit 57 Fällen die häufigste Todesursache (= 20,1% von n=284 Ind.). Häufig geschieht dies, wenn die Seeadler dort an Tierkadavern fressen, die ihrer- seits bereits durch Verkehrskollision angefallen sind und dann tot am Gleiskörper liegen. In 47 Fällen war eine Kollision der Seeadler mit den Rotorblättern von Windenergieanlagen (WEA) die Todesursache. Hinzu kommen 9 Vögel mit Flügelverletzungen, die oftmals noch lebend aufgegriffen wurden, aber wegen der Schwere der Verletzungen nach veterinär-medizinischer Beratung eingeschläfert werden mussten. Unter diesen Vögeln sind weitere „Windkraftopfer“ zu vermuten, die aber wegen der Fundumstände nicht zweifelsfrei einer WEA in der Umgebung zugeordnet werden konnten.
Vergleichende Betrachtung der Totfundanalysen
Da nunmehr aus zwei Zeiträumen (1997-2011 und 2012-2021) vergleichbare Untersuchungen vorliegen, möchten wir nachfolgend einen Blick auf die Trends bei den Einzelursachen werfen (Abb. 2). Aufgrund der unterschiedlichen Fallzahlen in den beiden Zeiträumen (n=105 Totfunde in 14 Jahren gegenüber n=179 Totfunden in 10 Jahren) müssen die Ergebnisse relativ betrachtet werden. Augenfällig ist eine Zunahme bei den Bahnopfern von 14,3 % im ersten Zeitraum auf 23,5 % im zweiten Betrachtungszeitraum. Ein möglicher Erklärungsansatz ist hier die allgemeine Zunahme der ausgeflogenen Jungadler in Schleswig-Holstein und ihre „Empfindlichkeit“ gegenüber diesem Unfallrisiko.
Abb.2: Vergleich der Todesursachen von Seeadlern in Schleswig-Holstein in zwei unterschiedlichen Zeiträumen (nach Daten der Projektgruppe Seeadlerschutz) |
Junge unerfahrene Seeadler fressen insbesondere im Winterhalbjahr gerne an Fallwild, das in der freien Landschaft insbesondere an Bahnstrecken und speziellen Luderplätzen der Jägerschaft zur Verfügung steht. Eine Häufung von Todesfällen gab es in den zurückliegenden Jahren auf der Bahnstrecke zwischen Malente und Preetz sowie am Hindenburgdamm als Verbindung zur Insel Sylt. Beiden Strecken verlaufen durch gewässerreiche und somit auch wildtierreiche Landschaften. Zudem wurden in den letzten Jahren auf beiden Strecken die Taktfrequenzen der Züge bzw. die Zuggeschwindigkeiten erhöht.
Eine weitere Auffälligkeit bei der vergleichenden Betrachtung der beiden Zeiträume ist eine Abnahme bei den Kollisionsopfern mit Windenergieanlage. Unter den „gemeldeten“ und aufgefundenen Windkraftopfern hat der Anteil von 25 % im Zeitraum 1997-2011 auf nunmehr 12 % im Zeitraum 2012-2021 abgenommen. Wir vermuten hierbei eine hohe „Dunkelziffer“ der „nicht (mehr) gemeldeten Windkraftopfer“, aufgrund der zunehmenden Sensibilität bei diesem Thema innerhalb der Bevölkerung. Zudem sind unter den neun Fällen von Seeadlern mit Flügelverletzungen (= Trauma) weitere Windkraftopfer zu vermuten, die aber nicht zweifelsfrei einer bestehenden Anlage in der weiteren Umgebung zugeordnet werden konnten.
Aufgrund der steigenden Anzahl von Windenergieanlagen im Land und einer Zunahme der Seeadlerbestände, wäre auch eine Zunahme der Kollisionszahlen zu erwarten gewesen. Möglicherweise ist neben der gesunkenen „Meldebereitschaft“ von toten Seeadlern auf landwirtschaftlichen Flächen hierbei aber auch ein gewisser „Schutzeffekt“ durch die geltende Abstands- regelung (bislang 3.000 m zwischen Seeadlerbrutplatz und WEA-Anlagen) sowie die Wirksamkeit des „Seeadler-Dichtezentrums“ als weitgehend WEA-freie Landschaft ursächlich.
Todesursachen 1997-2011
In dem Zeitraum 1997-2011 war die Kollision von Seeadlern mit Windkraftanlagen in 26 Fällen die häufigste Todesursache. An zweiter Stelle folgten dann Kollisionen mit Eisenbahnen. Weitere Einzelheiten siehe Struwe-Juhl & Latendorf (2021).
Todesursachen 2012-2021
Im aktuellen Untersuchungszeitraum 2012-2021 waren Kollisionen von Seeadlern mit Eisenbahnen mit 42 Fällen die häufigste Todesursache (Abb. 3). In 21 Fällen war eine Kollision der Seeadler mit den Rotorblättern von Windenergieanlagen die Todesursache. Hinzu kamen neun Fälle mit „Anflug-Trauma“ als Ursache und zwei Fälle bei denen Seeadler nachweislich mit den Drahtseilen von Stromleitungen kollidierten und starben. Insgesamt starben in diesem Zeitraum 27 Seeadler in Schleswig-Holstein in Folge von Vergiftungen.
Abb.3: Todesursachen von Seeadlern in Schleswig-Holstein im Zeitraum 2012-2021 (nach Daten der Projektgruppe Seeadlerschutz). Rote Säulen: durch Menschen verursachte Todesfälle, grüne Säulen: natürliche Todesursachen, graue Säule: Todesursache unklar |
Dabei konnte bei 14 Seeadlern eine Bleivergiftung, bei fünf Vögeln eine Vergiftung mit Mevinphos, bei zwei Vögeln Carbofuran und bei je einem Seeadler die Vergiftung mit einem Parathion bzw. Pentobarbiturat nachgewiesen werden. In vier Fällen konnte das Gift nicht sicher toxikologisch bestimmt werden. Die Vergiftungsfälle mit sicherem Giftnachweis geben einen deutlichen Hinweis auf eine immer noch stattfindende illegale Prädationsbekämpfung im Land, zumeist unter Einsatz von tödlich giftigen Schädlingsbekämpfungsmitteln, die illegaler Weise als Ködergifte z.B. bei der Fuchsbekämpfung eingesetzt werden. Einzelheiten aus Schleswig-Holstein dazu haben sowohl Gall (2015) als auch Kieckbusch (2020) zusammengestellt.
Somit fielen in dem Untersuchungszeitraum 2012 bis 2021 rund 60 % der tot gefundenen Seeadler (n=179) „zivilisationsbedingten“ Todesursachen zum Opfer, im Wesentlichen durch Kollisionen mit Schienenfahrzeugen, Windenergieanlagen und Stromleitungen. Im Zeitraum 1997-2011 waren es 64 % von 105 Totfunden. Völlig unnötige Todesursachen wie Vergiftungen müssen noch als „zivilisationsbedingt“ hingerechnet werden. Unter den „natürlichen“ Todesursachen (11 %) sind Krankheiten (14 Fälle, davon in neun Fällen mit positiven Nachweis von Vogelgrippeviren) und Revierkämpfe mit tödlichem Ausgang (5 Fälle) zu nennen.
Altersstruktur der Totfunde
Im Zeitraum 2012-2021 konnten unter 179 Seeadlertotfunden von 107 Individuen, anhand der Beringung oder aufgrund der Schnabel- und Gefiedermerkmale, das Alter der Vögel sicher bestimmt werden. 54 % aller Totfunde waren junge bzw. subadulte Seeadler der Altersklassen 1. – 4. Kalenderjahr (Abb. 4). Das entspricht sehr genau den Ergebnissen unserer ersten Studie aus dem Zeitraum 1997-2011.
Die übrigen Vögel waren älter und verteilen sich den Erwartungen entsprechend auf die nachfolgenden Altersklassen. Im Zeitraum 2012-2021 waren unter den Totfunden vier überdurchschnittlich alte Seeadler. Sie erreichten ein Alter von nachweislich 26, 29, 30 und 34 Jahren. Der letztgenannte Vogel markierte das bisher bekannte Höchstalter von beringten wildlebenden Seeadlern in Deutschland.
Mit der abnehmenden Altersverteilung entspricht die Altersstruktur der Totfunde in etwa der Alterszusammensetzung der Seeadlerpopulation in Schleswig-Holstein (Struwe-Juhl & Grünkorn 2007).
Abb. 4: Alter der tot aufgefundenen Seeadler (n=107) |
Abb. 5: Alter der tot aufgefundenen Seeadler an Bahnschienen (n=57) und unter Windenergieanlagen (n=47). Immat = Vögel im Alter von 1. kalenderjahr bis 5. Kalenderjahr, adult = Vögel älter als 5. Kalenderjahr |
Von den Kollisionen mit Eisenbahnen und Windenergieanlagen sind vorwiegend die jungen unerfahrenen Seeadler betroffen. 75 % der Seeadler, die nach einer Kollision mit einer Eisenbahn tot am Gleisbett aufgefunden wurden, waren immature Seeadler. Unter den Kollisionsopfern bei den Windenergieanlagen waren mit 84 % ebenfalls junge Seeadler deutlich häufiger betroffen als adulte Vögel (Abb. 5).
Herkunft der Totfunde
Im Zeitraum 2012 bis 2021 waren 70 der 179 untersuchten Seeadler beringt und somit deren Herkunft bekannt. 87 % davon waren in Schleswig- Holstein beringt worden, sieben Vögel kamen aus Mecklenburg-Vorpommern (Vogelwarte Hidden- see) und je ein Seeadler aus Dänemark (Vogelwarte Kopenhagen) bzw. den Niederlanden (Vogelwarte Arnhem).
Literatur
Gall, T. (2015): Kieler Erklärung zum Schutze der Greifvögel in Schleswig-Holstein. In: Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung (Hrsg.): Jahresbericht 2020 zur Biologischen Vielfalt. Jagd und Artenschutz. S.: 34-36.
Kieckbusch, J. (2020): Greifvogelverfolgung in Schleswig-Holstein. In: Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (Hrsg.): Jahresbericht 2015. Jagd und Artenschutz. S.: 43-45.
Krone, O., T. Langgemach, P. Sömmer & N. Kenntner (2002): Krankheiten und Todesursachen von Seeadlern (Haliaeetus albicilla) in Deutschland. Corax 19, Sonderheft 1: 102-108.
Struwe-Juhl, B. & Latendorf, V. (2012): Todesursachen von Seeadlern in Schleswig-Holstein 1997-2011. Großvogelschutz im Wald. Jahresbericht 2011. Hrsg. Projektgruppe Seeadlerschutz. ISSN 2940-0554
Struwe-Juhl, B. & T. Grünkorn (2007): Ergebnisse der Farbberingung von Seeadlern (Haliaeetus albicilla) in Schleswig-Holstein mit Angaben zu Ortstreue, Umsiedlung, Dispersion, Geschlechtsreife, Altersstruktur und Geschwisterverpaarung. Vogelwelt 128: 117-129.
Bernd Struwe-Juhl & Volker Latendorf
Adler über Brandenburg (2021)
Mit etwa 630 Adler-Brutpaaren rangiert Brandenburg nach Mecklenburg-Vorpommern an zweiter Stelle im bundesweiten „Adler-Ranking“. Lediglich beim Fischadler liegen wir seit Jahrzehnten deutlich vor dem Küstenland. See- und Fischadler konnten aufgrund der Bestands- und Gefährdungssituation schon vor längerer Zeit aus der brandenburgischen Roten Liste entlassen werden. Der Schreiadler als seltenste der drei Arten muss darin hingegen immer noch als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft werden. Stein- und Schlangenadler haben unsere Region schon im vorletzten Jahrhundert als Brutvögel geräumt. Wobei diese Formulierung nicht ganz stimmt – das Verschwinden erfolgte in erster Linie aufgrund menschlicher Verfolgung. Heute erfreuen beide Spezies – ebenso wie weitere Adlerarten – nur noch als Gastvögel die Herzen der Vogelfreunde.
Abb. 2: Bestand und Reproduktion des Seeadlers in Brandenburg1992-2020 |
Der Adlerschutz beruht in Brandenburg im Wesentlichen auf zwei Säulen: 1) dem § 19 des Brandenburgischen Naturschutzgesetzes („Horststandorte“) und 2) dem unermüdlichen Wirken unserer überwiegend ehrenamtlichen HorstbetreuerInnen, die von der Staatlichen Vogelschutzwarte koordiniert werden und eine jährliche Aufwandsentschädigung erhalten. Ihnen sind auch die nachfolgend dargestellten Zahlen zu verdanken. Diese Basis des Horstschutzes hat sich in der Praxis seit langer Zeit bewährt, so dass die Inhalte einer Publikation in den Berichten zum Vogelschutz immer noch weitgehend gültig sind (LANGGEMACH et al. 2008). Viele HorstbetreuerInnen sind schon seit Jahrzehnten aktiv, und ihr altersbedingtes Ausscheiden macht so manches Mal deutlich, was für eine schwer zu schließende Lücke sie hinterlassen. Weitere Bausteine des Horstschutzes, etwa der Einsatz von Kunsthorsten, sind im genannten Artikel nachlesbar.
Der Bestand des Seeadlers steigt seit Jahrzehnten kontinuierlich an (Abb. 2). Jedes vierte Seeadlerpaar in Deutschland brütet in Brandenburg, die Masse davon auf Kiefern. Ein sich andeutendes Plateau in der Bestandsentwicklung wurde 2019 und 2020 wieder getoppt durch eine neuerliche Zunahme auf 230 besetzte Reviere. Ein dichtebedingt abnehmender Bruterfolg ist bisher kaum erkennbar. Verbreitungsschwerpunkte sind naturgemäß die gewässerreichen Landschaften, aber es gibt auch zunehmend Bruten weitab größerer Gewässer. In der Agrarlandschaft der Großtrappengebiete wurden im Laufe der letzten Jahre Zielkonflikte deutlich, indem Seeadler nicht nur regelmäßig Trappen erbeuten, sondern auch die arteigene Arenabalz der Steppenvögel stören bzw. zeitweilig auflösen. Dass immer wieder Horstbäume illegal gefällt werden, hat jedoch einen anderen Hintergrund und ist ein neues Phänomen in Planungsgebieten der Windenergienutzung. Neben anderen Arten sind bisher fünf Fälle bei Seeadlern dokumentiert, wobei es eines der Brutpaare bereits zweimal getroffen hat. In den zurückliegenden Jahren wurden alljährlich ca. 20 bis 30 Seeadler-Totfunde dokumentiert. Unter den Todesursachen rangieren Bleivergiftung durch Jagdmunition und Kollision mit Schienenfahrzeugen an vorderer Stelle, in den letzten Jahren jedoch überholt von Kollisionen an Windenergieanlagen. Stromschlag spielt nach der Reglementierung der Sicherung gefährlicher Mittelspannungsmasten im Bundesnaturschutzgesetz kaum noch eine Rolle – das letzte Opfer wurde 2016 registriert.
Abb. 3: Bestand und Reproduktion des Fischadlers in Brandenburg 1992-2019 |
Etwa 62 % der Fischadler Deutschlands brüten in Brandenburg. Dort haben sie ein ähnliches Verbreitungsmuster wie die Seeadler. Die Bestandszunahme der Art scheint auf Landesebene beendet zu sein (Abb. 3). Nach einem Maximalwert von 385 besetzten Revieren im Jahr 2014 pendelt der Bestand um etwa 375 Reviere. Regional gibt es Abnahmen, etwa in der Uckermark, und Zunahmen wie im Havelland. Die Reproduktion erreichte 2011 noch einmal einen Wert von knapp über 2 flügge juv. je Brutpaar und nimmt seither tendenziell ab. Inzwischen brütet nur noch jedes sechste Fischadlerpaar auf einem Baum; vor 25 Jahren war es noch jedes dritte. Der 1937 begonnene Trend zu Gittermasten, insbesondere im Hochspannungsbereich, hält an. Dies ist auf der einen Seite dem Mangel an sehr alten und hohen Überhälter-Kiefern geschuldet, auf der anderen Seite der offensiven Förderung der Mastbruten durch die Energie-Unternehmen, die auf „ihre“ Fischadler stolz sind. Auf einer Fischadlertagung 2015 im Westen Polens hat ein engagierter Vortrag von Andreas Baß (†) von der e.dis zu einem Umdenken bei den polnischen Kollegen geführt – die begonnene Einbeziehung der Hochspannungsmasten in die Schutzstrategie könnte eine Schlüsselrolle bei der Verbesserung der Bestandssituation in Polen spielen, die auffallend schlechter als hierzulande ist. Ein relativ junges Phänomen sind „Brutpartnerschaften“ von Fischadlern und Wanderfalken, besonders auffällig bei den Gittermasten: vorhandene Adlerhorste werden früh im Jahr von den Falken besetzt, die dadurch die später aus dem Winterquartier eintreffenden Fischadler zum Bau neuer Nester zwingen. Diese werden dann in einem der Folgejahre wieder durch die Falken übernommen, wenn der alte Brutplatz „zerwohnt“ ist.
Der Schreiadler ist bei weitem der seltenste Adler in Brandenburg. Das Land teilt sich die Verantwortung für die Art mit Mecklenburg-Vorpommern, wo etwa 80 % des deutschen Brutbestandes von 135 Paaren leben. Außerhalb des geschlossenen Areals gibt es nur noch ein weithin isoliertes Brutpaar in Sachsen-Anhalt. In Brandenburg nahm der Bestand des Schreiadlers in den 1990er und frühen 2000er Jahren ab, um dann seit 2006 zwischen 22 und 24 Paaren zu pendeln (Abb. 4). Seit 2017 ist wieder eine Zunahme erkennbar, die aber im Widerspruch zum desolaten Bruterfolg der zurückliegenden Jahre steht. Während vor 2009 im Mittel 0,64 Junge pro Paar ausflogen, wurden danach nur noch 0,44 pro Paar flügge, und der vorherige Mittelwert wurde nicht einmal mehr in den besten Jahren erreicht. Die Grenze markiert recht präzise die Abschaffung der konjunkturellen Stilllegungen durch die EU-Kommission. Damit gingen den Adlern großflächig hervorragende Nahrungsflächen verloren, die sich zum großen Teil in Maisfelder verwandelten.
Abb. 4: Bestand und Reproduktion des Schreiadlers in Brandenburg 1994-2020 |
Dem Schutz des Schreiadlers und seiner Lebensräume muss in Deutschland höchste Priorität beigemessen werden.(Foto: Peter Wernicke) |
Dies zeigt, dass beim Schreiadler mehr als bei den anderen beiden Adlerarten komplexe und großflächige Schutzansätze erforderlich sind, die von einem ungestörten Brutplatz in einem vielgestaltigen Laub- oder Mischwald über attraktive Nahrungsflächen in der Umgebung bis hin zu großflächiger Freiheit von Windkraftanlagen reichen. Die Faktoren greifen auch ineinander: Mäßige oder schlechte Nahrungsgebiete führen zu größeren Aktionsräumen, was nicht nur die Präsenz am Horst reduziert, sondern auch Kollisionsrisiken erhöht. Sieben an Windkraftanlagen kollidierte Schreiadler in Deutschland klingen wenig, aber eine Populationsanalyse hat bereits vor längerer Zeit unter Beweis gestellt, dass es in kleinen Populationen auf jeden einzelnen Adler ankommt (BÖHNER & LANGGEMACH 2004). Um auf den trotz all dieser Probleme zunehmenden Bestand zurückzukommen: Ein Beitrag dazu dürften die 123 Jungvögel sein, die seit 2004 zusätzlich im Rahmen des „Jungvogelmanagements“ flügge wurden. Dabei wird der zweitgeborene Jungvogel, der fast immer dem arteigenen Kainismus zum Opfer fällt, entnommen und nach der Aufzucht in Menschenhand über Adoption (bis 2008) bzw. eine Hackingstation (seit 2009) ausgewildert (GRASZY- NSKI et al. 2012, MEYBURG et al. 2015). Der Bruterfolg in Brandenburg wurde damit um fast 60% gesteigert, und wie gesagt: Es kommt auf jeden einzelnen Schreiadler an!
Literatur
BÖHNER, J. & T. LANGGEMACH (2004): Warum kommt es auf jeden einzelnen Schreiadler Aquila pomarina in Brandenburg an? Ergebnisse einer Populationsmodellierung. Vogelwelt 125: 271-281.
GRASZYNSKI, K., T. LANGGEMACH, B.-U. MEY- BURG, P. SÖMMER U. BERGMANIS, A. HINZ, I. BÖRNER & M. MEERGANS (2012): Jungvogelmanagement beim Schreiadler. In: KINSER, A. & H. V. MÜNCHHAUSEN (Hrsg.): Der Schreiadler im Sturzflug – Erkenntnisse und Handlungsansätze im Schreiadlerschutz. Tagungsband zum 1. Schreiadlersymposium der Deutschen Wildtier Stiftung (2011, Potsdam): 74-85.
LANGGEMACH, T., M. THOMS, B. LITZKOW & A. STEIN (2008): Horstschutz in Brandenburg. Ber. Vogelschutz 45: 39-50.
MEYBURG, B.-U., K. GRASZYNSKI, T. LANGGE- MACH, A. HINZ, I. BÖRNER, I. SIMM-SCHÖNHOLZ, I. LEHNIGK, U. BERGMANIS, C. MEYBURG & U. KRAATZ (2015): Lesser Spotted Eagle (Aquila pomarina) nestling management in Brandenburg (Germany) in 2004-2014. Slovak Raptor J. 9: 77-78.
Torsten Langgemach
Staatliche Vogelschutzwarte im Landesamt für Umwelt Brandenburg