Revierkampf von drei Seeadlern über der Bislicher Insel am Niederrhein, Nordrhein-Westfalen (2022)
Am 10. April 2022 kam es im Seeadlerrevier Bislicher Insel zu einem Revierkampf, den nach späteren Beobachtungen ein fremdes, adultes und beringtes Weibchen ausgelöst und gewonnen hat. Das Weibchen des bisherigen Brutpaares war nicht beringt und wurde nach dem Kampf nicht mehr gesehen. Die beiden fünf bis sieben Tage alten Jungvögel sind noch am selben Tag verstorben.
Das Brutgeschehen 2022 war zu Anfang nicht auffällig. Es schlüpften zwei Jungvögel, die auch sehr gut beobachtet werden konnten, wie sie von den Eltern gefüttert wurden. Da ein Revierkampf unter Seeadlern in Fachkreisen zwar bekannt ist, dieser aber sehr selten über längere Zeit beobachtet wird, werden hier nachfolgend die Beobachtungen von Augenzeugen des Revierkampfes geschildert.
Beobachtungen von Robert Willecke: Während der 6. Brut des Brutpaares kam es am 10. April ab ca. 9.00 Uhr durch intraspezifische Konkurrenz zum Brutabbruch. Zwei heftige Kämpfe am Horst wurden zuerst morgens vom Deich, dann nachmittags von den anderen Beobachtern von einer Beobachtungshütte aus gesehen. Vor Ort konnte das Eindringen eines farbberingten adulten Seeadlerweibchens als Ursache ausgemacht werden.
Revierkampf der Seeadler über der Bislicher Insel (Foto: Anja Siepen-Scheffer) |
Beim ersten Angriff gegen das auf dem Horst wachende Revierweibchen flog ein zweiter Adler auf normalem Anflugweg an, so dass zuerst das Männchen vermutet wurde. Nach der Landung setzte aber blitzartig ein etwa einminütiger "Hahnenkampf" auf dem Horst ein, der mit rasanter Folge wuchtiger Schläge der Fänge beider Adler in Richtung Brust und Bauch alle früheren Streitereien des Paares weit überstieg. Das Revierweibchen konnte den Horst knapp behaupten, die Angreiferin verschwand nach Nordwesten. Vom lädierten Horstrand hingen nun kleinere bis mittlere Äste herunter. Das Weibchen blieb unruhig auf dem Horst, rief erfolglos nach dem Partner und huderte trotz 7°C und kühlem Wind nicht. Um ca. 9.30 Uhr erfolgte mit Beuteresten eine letzte Fütterung der zwei Dunen-Küken. Später flog sie auf, danach waren drei adulte Seeadler fliegend zu sehen, mit viel Abstand und ohne klar einschätzbare Interaktion. Kurz nach Mittag war der Horst dann mehr als drei Stunden lang verlassen. Nach Wechsel des Beobachtungsstandortes konnte das seeadlertypische "Abwärtstrudeln mit verhakten Fängen" beobachtet werden, imposant war dabei, dass diese Aktion aus etwa 300 m Flughöhe bis dicht über dem Boden erfolgte. Offensichtlich war der kleinere Vogel das Reviermännchen, entfernungsbedingt blieb die Bestimmung des Weibchens unsicher.
Beobachtungen von Anja Siepen-Scheffer und Thomas Wiesner:
14:00 Uhr: Bei unserer Ankunft an der Beobachtungshütte kontrollieren wir den Horst, der leer erscheint. Auch nach ca. zwei Stunden Beobachtungszeit, ist kein Seeadler in der Luft oder in der Nähe des Horstes zu beobachten. Bereits zu diesem Zeitpunkt war uns klar, dass etwas mit den Jungen nicht in Ordnung ist.
16:00 Uhr: Ein adulter Seeadler ist am Horst, dieser wird jedoch kurze Zeit später von einem zweiten adulten Seeadler heftig attackiert, beide fliegen mit den Fängen ineinander verhakt nach unten ab.
16:40 Uhr: Es kommt zu einem heftigen Luftkampf von zwei adulten Seeadlern. Davon ist einer beidseitig beringt und der äußere “Finger” der rechten Handschwinge ist abgebrochen, der andere adulte Seeadler ist rechts beringt.
Beobachtungen des Autors: Der Horst wurde am Morgen des 11. April 2022 verlassen vorgefunden. Die von den Augenzeugen beschriebenen und zum Teil fotografisch dokumentierten Ereignisse waren damit auch für mich Realität. Als Verursacher des Revierkampfes konnte ein adultes Weibchen mit einer beidseitigen Beringung (Vogelwarten- und schwarzer Code- Ring) sicher bestimmt werden. Nach intensiven Beobachtungen konnte ich in den Tagen darauf feststellen, dass das alte Männchen mit dem neuen, offensichtlich jüngeren Weibchen sich als Revierpaar in der Umgebung des Brutplatzes aufhalten. Leider konnte bisher die Beringung des neuen Weibchens nicht abgelesen werden.
In der Lebensweise der Seeadler wurde ein solches Ereignis bisher selten von Menschen beobachtet. Allerdings ist dieses Ereignis sehr bitter für Nordrhein-Westfalen, da dieses Paar bisher noch immer das einzige Brutpaar in diesem Bundesland ist.
Ingbert Schwinum