Der Seeadler als Brutvogel in den Niederlanden
Im Jahr 2006 etablierte sich der Seeadler als Brutvogel in den Niederlandenim Zusammenhang mit einer Zunahme und Ausbreitung der Art in Europa. Nach den Oostvaardersplassen siedelte sich die Art zwischen 2010-2012 in den Gebieten Lauwersmeer, Ijsselmündung und Biesbosch an. Weitere Ansiedlungen erfolgten dann in Gebieten mit großen Gewässern wie Friesland und Groningen, den Veluwe See und dem Deltagebiete und dem Flussgebiet.
Am Ende des 19. Jahrhunderts war der Seeadler in vielen europäischen Ländern als Brutvogel ausgestorben, hauptsächlich aufgrund von Verfolgung durch den Menschen. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren nur noch kleine Restpopulationen übrig geblieben, die dann vom aufkommenden Schutz durch den Menschen profitierten, dann aber in den 1950er und 196oer Jahren infolge massiver Pestizideinsätze (DDT, PCB) in der Land- und Forstwirtschaft im Bestand zurück gingen. Die Beschränkungen des Einsatzes von Pestiziden setzten dann in den 1970er Jahren ein und führten zu einer steigenden Reproduktivität der Seeadler. Ausgehend von einem Restbestand von circa 1.000 Paaren in den 1970er Jahren wuchs der europäische Brutbestand bis 1990 auf 2.500 Brutpaare und im weiteren Verlauf bis 2001 auf rund 5.000 Paar an (Helander & Stjernberg 2003).
Östlich der Niederlande wuchsen die Brutpopulationen von Polen und Deutschland von 420 Paaren in 1990 auf rund 1.200 Paare im Jahr 2004 an (Hauff & Mizera 2006) und das Brutgebiet der Seeadler dehnte sich deutlich nach Westen bis an die niederländische Grenze aus (Kollmann et al. 2002). Gleichzeitig nahm die Anzahl der in den Niederlanden überwinterden Seeadler zu und stieg von durchschnittlich 2,4 Vögeln pro Winter (1970-1978) auf durchschnittlich 6,0 Vögel pro Winter (1979-1995) (Bekhuis et al. 1999). Der Oostvaardersplassen spielt dabei auch heute noch eine wichtige Rolle.
Im Gebiet Oostvaardersplassen übersommerte in 2005 ein beringtes Seeadlerweibchen im 3. Kalenderjahr und ein adultes Männchen, die dann in 2006 mit einer Brut begannen (de Roder & Bijlsma 2006). Dies war der Beginn einer dann nachfolgenden Ansiedlungswelle, die bis heute anhält (van Stralen 2018). Das Bestandswachstum der niederländischen Seeadlerpaare setzte sich nach der Ansiedlung am Oostvaardersplassen ab 2010 mit Brutversuchen am Lauwersmeer und Zwarte Meer fort. Zwischen 2009 und 2013 stieg der Brutbestand in den Niederlanden von 2-4 Paaren, auf 5-9 Paare im Zeitraum 2014-2016, auf 12 Brutpaare im Jahr 2017 und 14 Brutpaare im Jahr 2018 an.
Zwischen 2006 und 2018 gab es insgesamt 65 Bruten (besetzte Nester), von denen 44 Bruten erfolgreich waren.
Herkunft, Alter und Bruterfolg der niederländischen Seeadler
Beobachtungsorte der in den Niederlanden beringten Seeadler |
Im Zeitraum von 2006 bis 2018 konnte von 12 Seeadlern (6 Weibchen und 6 Männchen) die Herkunftsländer der niederländischen Brutvögel anhand von Farbringen ermittelt werden. Die Weibchen stammten aus Deutschland (2 Vögel) und vom Oostvaardersplassen (4 Vögel). Die Männchen stammten aus Deutschland (3 Vögel), vom Ostvaardersplassen, vom Lauwersmeer und vom Brabantse Biesbosch (jeweils 1 Vogel).
Die Weibchen begannen ab dem 3. Kalenderjahr mit der Brut, die Männchen erst ab dem 4. Kalenderjahr, sie waren aber nicht erfolgreich, auch wenn der Brutpartner älter war. Weibchen brüteten nur erfolgreich ab dem 4. und 5. Kalenderjahr, wenn das Männchen mindestens im 7. Kalenderjahr war (nur im Oostvaardersplassen war es in 2006 unsicher, ob das Männchen bereits im 7. Kalenderjahr war). Weibchen im 4. und 5. Kalenderjahr, die nicht erfolgreich gebrütet haben, hatten relativ junge Männchen (4. bis 6. Kalenderjahr). Bei den meisten ersten erfolgreichen Bruten, war das Männchen älter als das Weibchen. Männchen im 5. und 6. Kalenderjahr brüteten in vier Fällen erfolgreich und in fünf Fällen erfolglos. Diese Ergebnisse bestätigen, dass der Bruterfolg bei Seeadlern mit zunehmendem Alter und Erfahrung der Vögel zunimmt.,
Bruterfolg und Brutbeginn
Im Zeitraum von 2006 bis 2018 flogen insgesamt 71 junge Seeadler aus, das entspricht einem Gesamtbruterfolg von 1,1 Junge pro Brut bzw. 1,6 Junge pro erfolgreicher Brut. Das Seeadlerpaar im Gebiet Dordtse Biesbos war mit 1,8 Jungen pro erfolgreicher Brut das bislang reproduktivste Paar.
Von 54 sicheren Bruten verliefen 19% nicht erfolgreich. Acht Bruten missglückten bereits in der Eiphase und zwei Bruten während der Jungenaufzucht.
Bei 23 von 44 erfolgreichen Bruten wurden 35 Jungadler beringt, hinzu kam ein nach dem Ausflug beringter Jungvogel von Brabantse Biesbosch in 2003. Von 28 Nestlingen wurden 15 Männchen und 13 Weibchen anhand der biometrischen Daten bestimmt
Der Legebeginn niederländischer Seeadler variiert zwischen dem 14. Februar (Veluwemeer 2018) und 29. März Ijsselmündung 2014). Im Mittel wird das erste Ei um den 5. März gelegt (n=25). Das Paar am Oostvaardersplassen begann zwischen 2007 und 2018 im Mittel um den 4. März (n=11) mit der Brut. Das Paar begann relativ spät in den Jahren 2010, 2012 und 2016, was vermutlich mit Veränderungen in der Paarzusammensetzung zusammenhing.
Ansiedlungsentfernung
Die Ausbreitungsentfernung deutscher Vögel, die sich in den Niederlanden ansiedelten, variierte zwischen 320 und 510 Kilometer. Die Ansiedlungsentfernung von Vögeln aus den Niederlanden variierte zwischen 36 und 232 Kilometer (im Mittel 80 Kilometer). Die meisten der in den Niederlanden beringten Seeadler wurden in den Niederlanden erneut abgelesen, insbesondere im Ijsselmeergebiet und im Deltagebiet, wobei immer einer Mix von Seeadlern aus verschiedenen Herkunftsgebieten wahrgenommen wurden. darüber hinaus wurden beringte Seeadler aus Deutschland (5 Ind.), Estland (1), Belgien (1) und Frankreich (1) Es gab aber keine Hinweise darauf, dass diese Vögel dort brüten würden.
Überlebensraten
Von den 35 beringten Jungadlern wurden 22 Vögel bis einschließlich 2018 lebend gesichtet und vier Vögel tot aufgefunden. Von den vier tot Jungadlern war 2 Vögel im 1. Kalenderjahr (Kj), einer im 3. Kj und einer im 5. Kj. Der Totfund am Lauwersmeer wurde vermutlich geschossen, für die anderen drei ist keine Todesursache bekannt.
Mindestens 21 Vögel überlebten ihren 1. Winter, basierend auf einer Überlebensrate von mind. 60%. Von zehn beringten Jungadlern aus dem Zeitraum 2007 bis 2012 lebten nach dem ersten Winter mindestens neun nach dem fünften Winter mindestens sechs Vögel. Dies entspricht eine jährliche Überlebensrate von rund 90 %.
Todesursachen
Die Informationen über die Todesfälle und Todesursachen von Seeadler in den Niederlanden sind lückenhaft und eher anekdotisch. 2009 und 2018 kollidierte jeweils ein Seeadler mit einer Windkraftanlage in Flevoland (de Roder & Bijlsma 2009, Buij & Jansmann 2019).
Stef van Rijn, Andrea van den Berg, Peter de Boer, Jasja Dekker, Symen Deuzeman, Dirk van Straalen & Romke Kleefstra
aus: Limosa 92 (2019): 3-15.
(Übersetzung: Bernd Struwe-Juhl)
Literatur
Bekhuis, J., F. Hustings & E. van Winden (1999): Zeearenden in Nederland 1945-1997. Vogeljaar 47: 145-153.
Buij, R. & H. Jansmann (2019): Wederom een dode zeearend door een windturbine-aanvaring in Flevoland. De Takkeling 27 (in druk).
de Roder, F.E. & R.G. Bijlsma (2006): Eerste broedgeval van de Zeearend (Haliaeetus albicilla) in Nederland. De Takkeling 14: 209-231.
de Roder, F.E. & R.G. Bijlsma (2009): Zeearend (Haliaeetus albicilla) in Oostelijk Flevoland gedood door windturbine. De Takkeling 17: 68-73.
Hauff, P. & T. Mizera (2006): Verbreitung und Dichte des Seeadlers (Haliaeetus albicilla) in Deutschland und Polen: eine aktuelle Atlas-Karte. Vogelwarte 44: 134-136.
Helander, B. & T. Stjernberg (2003): Action Plan for the conservation of White-tailed Sea Eagle. BirdLife International Sweden.
Kollmann, R., T. Neumann & B. Struwe-Juhl (2002): Bestand und Schutz des Seeadlers (Haliaeetus albicilla) in Deutschland und seinen Nachbarländern. Corax 19, Sonderheft 1, 1-14.
van Stralen, D. (2018): Zeearend (Haliaeetus albicilla). In: SOVON Vogelonderzoek Nederland, Vogelatlas van Nederland, pp. 214-215. Kosmos Uitgevers, Utrecht/Antwerpen.