Informationen für Jäger

Jedes Jahr verenden in Deutschland immer noch Seeadler (Haliaeetus albicilla) qualvoll durch Bleivergiftung. Untersuchungen aus dem Leibnitz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin (IZW) ergaben, dass rund 25 % von mehr als 400 untersuchten Seeadlern an einer Bleivergiftung verendeten.

Wie und warum vergiften sich gerade Seeadler so leicht durch Blei?

Seeadler vergiften sich, weil sie die Reste von bleihaltiger Jagdmunition mit ihrer Nahrung aufnehmen. Wird Wild mit bleihaltigen Geschossen erlegt, so hinterlässt das Geschoss in der Regel nach dem Auftreffen im Tierkörper Bleisplitter, die sich mit einem Durchmesser von bis zu 40cm um den Schusskanal ausbreiten können. Die oft winzigen Bleifragmente stecken, für uns mit bloßem Auge nicht erkennbar, z.B. im Aufbruch oder im Kadaver von angeschossenen Wildtieren. Diese, aus Sicht des Seeadlers leichte Beute, wird dem stolzen Vogel jedoch schnell zum Verhängnis. Seeadler sind empfindlicher gegenüber Blei als andere Vögel oder auch Säugetiere. Fütterungsversuche an Weißkopfseeadlern in den USA zeigten, dass schon kleinste Bleipartikel in der Nahrung nach kurzer Zeit im Magen aufgelöst werden und eine Vergiftungssymptomatik hervorrufen. Hierbei spielen der besondere ph-Wert und eine lange Verweildauer der Nahrung im Magen des Seeadlers eine Rolle.

Todesursachen
Todesursachen von Seeadlern in Deutschland

Röntgenbild von einem Reh

"Hoffentlich bald Schnee von gestern - unzählige Bleifragmente eines
Bleigeschosses auf dem Röntgenbild eines erlegten Rehs"
Foto: Oliver Krone

Eine akute Bleivergiftung beim Seeadler äußert sich u.a. durch Krämpfe, Koordinationsstörungen, Flugunfähigkeit, Erbrechen, Speicheln und Atembeschwerden. Innerlich wirkt sich das Blei negativ auf die blutbildenden Systeme und die Ausscheidungsorgane aus und beeinträchtigen das Sehvermögen. Durch die wiederholte Aufnahme kleinster Bleimengen erleiden Seeadler innerhalb von wenigen Wochen eine chronische Bleivergiftung, die häufig zur Erblindung der Tier und anschließend zum langsamen Hungertod führt.

Mein Seeadler

Der Seeadler gehört nach §2 Bundesjagdgesetz zu den Tierarten die dem Jagdrecht unterliegen. Der Seeadler genießt ganzjährig Schonzeit. Jedoch hat der Jagdausübungsberechtigte das Aneignungsrecht am Seeadler, sollte dieser in seinem Revier tot gefunden werden (oder nach dem Aufnehmen im kranken Zustand später verenden). Bitte verständigen Sie bei dem Fund eines toten oder verletzten Adlers die Projektgruppe Seeadlerschutz (Volker Latendorf, Handy 0171 / 920 6566). Diese stellt die Todesursache fest und ist auch für die Freigabe zur Präparation zuständig.

Wie schütze ich als Jäger meinen Adler?

Der Seeadler gehört zu den seltensten Wildtierarten Deutschlands. Die Hege des Seeadlers ist für jeden echten Jäger eine Selbstverständlichkeit und einen Horst im Revier zu haben, ein Privileg.

Seeadlerschutz ist zum einen Horstschutz! Das Gesetz schreibt hierbei das Unterlassen jeglicher störender Handlungen in einem Radius von 100m um den Horstbaum vor (LNatSchG3 28a). Unsere Empfehlung ist einfach: wenn irgend möglich, soll dieser Bereich ganzjährig überhaupt nicht betreten werden. Es ist für den Menschen schwierig, die Störungsintensität seiner Handlung zu beurteilen - zu viel hängt vom Adler, dem Zeitpunkt, der Vegetation und vielen anderen Faktoren ab.

Sollte ein Betreten oder land- oder forstwirtschaftliche Aktivitäten in der Horstschutzzone zwingend notwendig sein, hillft die Projektgruppe Seeadlerschutz gerne durch Beratung wie dies umgesetzt werden kann.

Für die Jagd sollte es aber immer bedeuten, dass diese hier ruht. Jagdliche Einrichtungen, Fallen oder Kirrungen dürfen auf keinem Fall in der Horstschutzzone stehen. Die Vorteile einer solchen Ruhezone sind für das Revier und auch für alles andere Wild ausreichend bekannt.

Sofern es notwenig ist und vom Flächeneigentümer auch gewünscht, können auch größere Bereiche des Horstumfeldes gesperrt werden. Hier greift das Landeswaldgesetz 320. Die Sperrung wird von der Forstbehörde in Absprache mit der Projektgruppe Seeadlerschutz angewiesen. Auch hier beraten wir gerne.

In vielen Fällen ist der Horstbewacher vor Ort auch gleichzeitig der Jagdausübungsberechtigte. Auf jedem Fall muss der Horstbewacher einen sehr guten Draht zum Jagdausführungsberechtigten haben - die Zusammenarbeit ist sehr wichtig. Auch, weil Jäger häufig im Revier sind und ein gutes Auge für mögliche Störungen und die Bedürfnisse ihres Wildes haben.

Entsorgung von Aufbruch

Sofern Sie mit bleihaltiger Munition schießen, müssen Aufbruch und zerschossene Wildbrettteile unbediingt so entsorgt werden, dass der Seeadler sie nicht aufnehmen kann. Die Aufnahme eines einzigen Bleisplitters kann für den Seeadler seinen qualvollen Tod bedeuten!

Informationen zu bleifreier Kugelmunition

Neben dem Horstschutz haben Jäger eine besondere Verantwortung für das Wohl der Seeadler im Bezug auf seine Nahrungsaufnahme. Seeadler nehmen viel Aas auf wie verendetes Wild und Aufbrüche. Aufgrund ihres besonderen Verdauungssystems können sie sich dabei sehr leicht an Bleiresten von Jagdgeschossen vergiften. Die Zusammenhänge sind inzwischen wissenschaftlich zweifelsfrei nachgewiesen. Dass Geschossbleireste im Wildfleisch auch bis in die menschliche Nahrungskette gelangen, hat das Bundesamt für Risikobewertung bestätigt und immerhin eine Warnung für "sensible Verbrauchergruppen" (Schwangere und Kleinkinder) ausgesprochen.

Die gute Nachricht für Jäger ist, dass die Wirkung von Büchsengeschossen nicht vom Material sondern von der Konstruktion abhängen. Viele Hersteller stellen schon seit Jahrzehnten bleifreie Geschosse her. Anfängliche Sicherheitsbedenken konnten inzwischen in einer sehr groß angelegten Studie der DEVA zerstreut werden. Fazit für uns Jäger: ob ein Schuss sicher oder nicht ist hängt nicht vom Geschossmaterial ab. Die Gefährdung des Hinterlandes hängt nur von der Beschaffenheit des Kugelfangs und vom Auftreffwinkel des Geschosses auf diesem ab.

Energie der Geschosse
Abb. 3: Relative Energieabgabe der Geschosse
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Desweiteren wird häufig die Wirksamkeit bleifreier Geschosse hinterfragt. Es sind bereits sehr aussagekräftige Untersuchungen durch das IZW gemacht worden. In einer Vergleichsstudie beschoss man unter anderen Gelatineblöcke mit den populärsten bleihaltigen und bleifreien Geschossen. Auch hier war das Ergebnis das gleiche: die Energieabgabe, der Wundkanal und die Splitterwirkung des Geschosses waren nur von der Geschosskonstruktion abhängig, nicht vom Material. Parallel in Brandenburg stattfindende Vergleichsstudien, mittels Abschussberichten, ergeben aus der Praxis das gleiche Bild (s. Abb. 3).

Tatsächlich gibt es gerade unter den professionellen Jägern schon viele, die bleifrei Munition bereits länger verwenden und teilweise bis zu mehreren hundert Stück damit erlegt haben. Alle mit denen ich gesprochen habe waren zufrieden. Ich habe daraufhin am Anfang der Drückjagdsaison selber umgesattelt und schieße nun ein modernes Deformationsgeschoss aus Kupfer: 30-06. 11,7 Gramm Barnes TSX Geschoss von Federal Premium. Es sind bis jetzt 55 Stück Schalenwild damit zur Strecke gebracht worden und ich habe absolut keinen Unterschied in der Tötungswirkung, zu der bisher benutzten Bleimunition, feststellen können. Der Preis der Munition liegt ebenfalls genau im gleichen Bereich wie vorher.

Interessant ist übrigens, dass viele Fragen im Bezug auf bleifreie Geschosse, also Sicherheit, Tötungswirkung, etc. bei allen bisher erhältlichen bleihaltigen Jagdgeschossen anscheinend nie einer wissenschaftlichen Klärung bedurften. Aber es ist natürlich nie falsch, sich ausführlich zu informieren! Darum haben wir in der Projektgruppe die besten Veröffentlichungen gesammelt und für Sie hier verlinkt. Hier finden Sie auch die Adressen zu den oben erwähnten Studien der DEVA und des IZW's. Sie werden staunen wie viel es dort zu lernen gibt über Abprallverhalten, Ballistik und die Wirkung von Büchsengeschossen - egal ob mit oder ohne Blei! Und danach werden Sie vielleicht das Gleiche denken wie ich: "Wenn es auch ohne Blei genauso gut geht - warum nicht wechseln?"

Dr. med. vet. Elvira von Schenk, Tierärztin
Dr. Christian Holm, 1. Vorsitzender