Seeadlerverluste an Windenergieanlagen in Deutschland (2019)
Abb. 1: Dieser Seeadler ist mit einer Windenergieanlage kollidiert.
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Erstmals wurde vor 16 Jahren über die Phänologie von acht Seeadlerverlusten an Windenergieanlagen (WEA) in Deutschland berichtet (DÜRR 2003). Seitdem wuchs die Zahl der Fundmeldungen auf 167 Individuen. Vor dem Hintergrund der laufenden Diskussion um vorsorgliche Abstandskriterien zu Brutplätzen der Seeadler und das komplette Freihalten von mit Seeadlern dicht besiedelten Landschaftsräumen (Herrmann & Heuck 2019), stellen Informationen über das jahreszeitliche Auftreten der Verluste eine zusätzliche wichtige Beurteilungsgrundlage dar. Die Zahl der Fundmeldungen schwankt von Jahr zu Jahr, was zufallsbedingt ist und u.a. durch das Fehlen gezielter Nachsuchen erklärt werden kann (Abb. 2). Insgesamt ist über die letzten Jahre ein Ansteigen der Fundmeldungen zu verzeichnen, was mit dem zeitgleich voranschreitenden Ausbau der Windenergienutzung in Deutschland zu erklären ist.
Auffällig ist, dass in Mecklenburg-Vorpommern viel weniger Kollisionen mit WEA registriert wurden als in Brandenburg, und das, obwohl der Seeadlerbestand in Mecklenburg-Vorpommern viel größer ist und es dort seit vielen Jahren ein funktionierendes Verlustmonitoring gibt, welches mit jenem in Brandenburg vergleichbar ist. Ursache hierfür dürfte die geringere Dichte von 8,3 WEA je 100 km in Mecklenburg-Vorpommern sein. In Brandenburg beträgt die Dichte 13,0 WEA je 100 qkm. Unabhängig von den unterschiedlichen Abstandskriterien in den beiden Bundesländern, in Mecklenburg-Vorpommern beträgt der Schutzbereich/ Schutzradius um Seeadlerhorste 2 km, in Brandenburg drei Kilometer sowie jeweils sechs Kilometer als Prüfbereich, führen die höheren Dichte an WEA offenbar zu höheren Verlusten unter den Seeadlern. Das bestätigt die These von Herrmann & Heuck (2019), wonach mit den Abstandskriterien nur ein Teil des Kollisionsrisikos gelöst wird, weil auch außerhalb der definierten Schutzbereiche regelmäßig Seeadler an WEA zu Tode kommen. Von 165 Seeadlerfunden liegen Angaben zum ungefähren Todeszeitpunkt vor. Aus diesen Daten lässt sich die Phänologie der Seeadlerkollisionen an WEA aufzeigen (Abb. 3).
Abb. 2: Jährliche Fundmeldungen von Seeadlern in Deutschland, die mit Windenergieanlagen kollidiert sind (n=167). Die Daten aus 2019 sind unvollständig (nur Zeitraum bis zum 31.10. berücksichtigt).
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Seeadlerverluste wurden in allen Dekaden festgestellt. In der Grafik sind zwei Zeiträume mit gehäuften Kollisionen augenfällig: von Anfang März bis Anfang Mai (n=59, 35,8 %) und von Ende August bis Anfang November (n=59, 35,8 %). Beide Peaks betreffen sowohl subadulte als auch adulte Vögel und deuten auf eine erhöhte Mobilität der Vögel hin. Bei den immaturen Vögeln ist ein Zusam- menhang mit Migrationsbewegungen zu vermuten, bei den Altvögeln eher eine erhöhte Mobilität während der Brutzeit. So entfallen bei den Altvögeln auf die Fortpflanzungsperiode 52 Funde (78,8 %), von ihnen 26 (50,0 %) auf die Phase der Bebrütung und Nestlingsversorgung. Die geringen Fundzahlen zwischen Mitte Mai und Mitte August lassen sich nicht schlüssig erklären. Jungvögel im 1. Kalenderjahr (Kj.) sind praktisch ab dem Flüggewerden kollisionsgefährdet. Die frühste Kollision mit einer WEA erlitt ein Jungvogel in der 3. Junidekade.
Die Altersstruktur der aufgefundenen WEA- Kollisionsopfer setzt sich wie folgt zusammen: 21 Seeadler befanden sich im 1. Kj. (= 13,8 %), 14 Vögel in der 1. Hälfte des 2. Kj. (9,2 %) und damit insgesamt 35 Vögel im 1. Lebensjahr. 51 Seeadler befanden sich zwischen der 2. Hälfte des 2. Kj. bis zum 5. Kj. (33,6 %) und 66 Seeadler waren adult (43,4 %). Damit entfallen 56,6 % der Verluste auf jüngere Vögel, was in Relation zu deren Häufigkeit am Gesamtbestand stehen dürfte. Seeadler zeigen insgesamt eine geringe natürliche Scheu gegenüber Windenergieanlagen, wodurch sich vermutlich auch die Verluste unter den Altvögeln begründen. Unter den Funden fällt ein hoher Anteil beringter Vögel auf (im Mittel 35,9 %): z.B. Schleswig- Holstein 53,6 % (n=22), Mecklenburg-Vorpommern 42,6 % (n=20) und Brandenburg 18,3 % (n=11). Beringte Seeadler trugen 33x Ringe der Berin- gungszentrale Hiddensee, 24x Ringe der Vogelwarte Helgoland und 3x Ringe der Vogelwarte Gdansk. Der tatsächliche Anteil beringter Vögel könnte sogar noch höher gewesen sein, da nicht alle Kadaver vollständig geborgen werden konnten. Der hohe Anteil an Ringträgern spricht dafür, dass beringte Vögel bevorzugt gemeldet werden, und damit nicht alle Funde in die Verlustdatenbank gelangen.
Abb. 3: Jahreszeitliches Auftreten von Seeadlerverlusten (n=165) an WEA in Deutschland im Zeitraum 2002-2019. Abgebildet wird der aus Funddatum und geschätzter Liegedauer errechnete Todeszeitpunkt. Von 13 Seeadlern lagen keine Informationen zum Alter der Vögel vor. |
Literatur:
Dürr, T. (2003): Neue Seeadler-Verluste an Windenergieanlagen in Deutschland. Projektgruppe Seeadlerschutz Schleswig-Holstein e.V., Jahresbericht 2003.
Herrmann, C. & C. Heuck (2019): Über den Wert langer Datenreihen: Langfristiges Seeadlermonitoring ermöglicht wissenschaftliche Erkenntnisse. Der Falke 11: 20-25.
Tobias Dürr
Landesamt für Umwelt Brandenburg
Staatliche Vogelschutzwarte
Aktuelles zum Seeadler in Dänemark 2019
Der Seeadlerbestand in Dänemark hat 2019 zwei Meilensteine übersprungen: zum einen hatten über 100 Paare ein Nest besetzt und zum anderen sind seit 1996 über 1.000 Jungvögel aus dänischen Seeadlernester ausgeflogen. Die Population wächst immer noch, obwohl in diesem kalten und windigen Frühjahr mehrere Horst abgestürzt sind und es zu mehr zerstörten Brutversuchen kam, als es sonst der Fall ist.
Abb. 1: Brutverbreitung des Seeadlers in Dänemark 2019. Die neu gefundene Standorte sind gelb markiert. Die Nummern bezeichnen bekannte Neststandorte, in 2019. |
Die Berichte der Regionalbetreuer bestätigten 110 Standorte mit bekannten Nestern, an denen insgesamt 103 Brutpaare anwesend waren. Die Definition eines Brutpaares entspricht dabei den Anforderungen unserer norddeutschen Kollegen und impliziert, dass von den einzelnen Paaren mindestens ein Nest bekannt sein muss bzw. Nestbau beobachtet wurde. Anscheinend sind aber einige der anwesenden Paare nie so weit gekommen, dass sie nachfolgend mit einer Brut begonnen haben. Dies galt unter anderem auch für das Paar in Hyllekrog auf Süd-Lolland, wo sich eine Webcam am Nest befindet. In diesem Revier wurde das Seeadlerweibchen im Februar 2019 mit Schussverletzungen tot aufgefunden, obwohl sich das Paar bereits in den vollen Vorbereitungen zu einer Brut befand. Kurz darauf wurde ein neues Weibchen im Revier beobachtet, dass sich mit dem Männchen verpaarte, den Nestbau fortsetzte aber nachfolgend nicht mit einer Brut begann.
98 Brutpaare begannen mit einer Brut, jedoch waren die Neststandorte in diesem Frühjahr starken Stürmen ausgesetzt, wodurch es zu Verlusten von Eiern oder Jungvögel kam. Zusätzlich kam es aus anderen Gründen zu Brutaufgaben. Im Endergebnis wurden in diesem Jahr 130 junge Seeadler in Dänemark flügge.
Durch die Ablesung von Farbringen konnte dokumentiert werden, dass die Gründung der dänischen Seeadlerpopulation durch Zuwanderung von Jungvögeln aus Norddeutschland erfolgte. Hinzu kamen weitere Jungvögel aus Schweden. Heute ist der dänische Brutbestand stabil und die dänischen Jungadler wandern weit umher u.a. bis nach Deutschland und Schweden.
19 der 98 Brutpaare hatten keinen Bruterfolg, das entspricht einer Brutverlustrate von rund 20%. Die Zahl mag hoch sein, aber sollte sie Anlass zu Sorge geben? Darauf gibt es keinen unmittelbaren Hinweis. In 2019 sind mehr Horste abgestürzt als in Vorjahren, aber der Bruterfolg lag immer noch im Bereich bekannter Größenordnungen wie z.B. in den Nachbarländern. Insgesamt ist das Daten- material noch sehr klein und kann wahrscheinlich immer noch nur als grobe Skizze normaler jährlicher Schwankungen bei den Brutverlusten der Seeadler angesehen werden. Der Vergleich der Brutverluste zwischen 2019 und den 10 Vorjahren zeigt jährliche Schwankungen zwischen 10 und 30%. Der Frühling 2019 war wie im Jahr 2017 kalt, nass und stürmisch, was zu entsprechend hohen Brutverlusten geführt hat.
Abb. 2: Begegnung zwischen Kolkrabe und Seeadler (Foto: Joachim Kaiser) |
Im Seeadlerprojekt haben wir in 2019 insgesamt 18 neue Neststandorte gefunden, was auch die anhaltende Bestandszunahme bestätigt. Diese Zahl wird aber durch die Anzahl von frühzeitig aufgegebenen Horsten leicht verfälscht und zusätzlich gibt es Horststandorte von denen keine weiterführenden Beobachtungen vorliegen.
Kim Skelmose & Ole Friis Larsen
aus: Skelmose, K. & Larsen, O.F. (2020):
Projekt Ørn, DOF-Arsrapport 2019, Birdlife
Danmark
(Übersetzung: Bernd Struwe-Juhl)
Erste Ergebnisse von jungen Niederländischen Seeadlern mit GPS- Sendern
Abb. 1: Flugbewegungen der vier besenderten niederländischen Seeadler im Zeitraum 15. August bis 15. November
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In den letzten Jahren ist die Anzahl der Seeadler in den Niederlanden auf 16 Brutpaare angestiegen (van Rijn et al. 2019). Fragen zur Habitatnutzung und Ausbreitungsbewegung der Seeadler sowie der Sterblichkeit der in den Niederlanden geborenen Vögel können nur unzureichend mit Hilfe der Beringung beantwortet werden. Dieses Wissen kann durch den Einsatz neuer Techniken effektiver erreicht werden, insbesondere mit den neuesten GPS-GSM-Loggern. Solche Logger liefern detaillierte Informationen über Flugbewegungen und geben Einblicke in die Habitatwahl, die Ausbreitung und die Siedlungsmuster von Tieren unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Herkunft. Zudem liefert diese Technik Antworten auf Fragen bezüglich der Habitateignung bzw. der Störanfälligkeit von Gebieten für Seeadler. Es kann auch festgestellt werden, wo unnatürliche Todesfälle auftreten, wie z.B. Abschuss, akute Vergiftung, Sekundärvergiftung und Zusammenstöße mit Hochspannungsleitungen, Windturbinen und Verkehr.
Methode
Für die Forschung werden GPS-GSM-Logger der Firma Ornitela (OrniTrack-50 Logger) verwendet. Diese wiegen 50 Gramm und werden mit einem Teflonband auf dem Rücken der jungen Seeadler befestigt, wobei diese mindestens 50 Tage alt sein müssen. Die Sender senden, über eine 3G- Verbindung, zweimal täglich Daten mit Positionen auf der Grundlage von 5-10-Minuten-Intervallen, die auch Bewegungsgeschwindigkeit, Temperatur und Höhe registrieren. Die Daten werden täglich überprüft, um sicherzustellen, dass Todesfälle rechtzeitig wahrgenommen werden, um die Vögel ggf. zu bergen und die Todesursache zu bestimmen. In Gebieten mit Windturbinen wird alle drei Sekunden die genaue Position erfasst, um die Flugbewegungen und das Verhalten der Seeadler im Bereich der Windparks detailliert aufzuzeichnen.
Im Jahr 2019 wurden vier junge Seeadler mit solchen GPS-GSM-Loggern ausgerüstet, und zwar zwei Männchen und zwei Weibchen. Im Zeitraum 2020-2021 sollen sechs weitere Jungvögel mit Loggern ausgestattet werden. Da die Installation von Sendern an Vögeln rechtlich einen Tierversuch darstellt, wurde eine Genehmigung nach dem Tierversuchsgesetz beantragt.
Ergebnisse
Nachdem die vier jungen Seeadler im Sommer 2019 erfolgreich ausgeflogen waren, machten die Vögel ab August zunehmend größere Ausflüge außerhalb des unmittelbaren Brutgebietes. Der Bewegungsradius war je nach Vogel unterschiedlich. Die steigende Zahl der Ausflüge ist ein Anzeichen dafür, dass die Vögel zunehmend eine elternunabhängige Existenz anstreben. Der Seeadler aus Spijk-Bremerberg machte am 21. August 2019 eine Erkundungstour über die Utrechtse Heuvelrug, den Nederrijn und die Veluwe. Zwischen dem 29. August und 12. September reiste der Vogel über Schleswig- Holstein, Norddeutschland und Belgien nach Nord- Frankreich. Die meiste Zeit wurde in Norddeutschland verbracht, wo der Vogel die Einzugsgebiete von Elbe, Oste und Eider über- querte.
Nachdem das junge Seeadlermännchen von Lepelaarplassen am 30. August einen Ausflug in die Veluwe gemacht hatte, reiste es am 1. September in die Veluwe. Zwischen dem 2. und 8. September navigierte es von Veluwe aus, genau wie der Vogel aus Spijk-Bremerberg, in nordöstlicher Richtung bis nach Deutschland. Für kurze Zeit besuchte es das Einzugsgebiet der IJssel und dann vor allem verschiedene Torfmoorgebiete in Niedersachsen. Auf dem Rückweg passierte der Jungadler die Mündung des Ems-Dollard-Gebietes östlich von Groningen (Abb. 1).
Abb. 2: Diesjährige Seeadler lassen sich gut an dem dunklen Schnabel, dem schokoladen-braunen Gefieder und de Tropfenflecken auf dem Rückengefieder und den Flügeldecken erkennen. (Foto: Olaf Koch) |
Das junge Seeadlerweibchen aus dem Dordtse Biesbosch ist am 19. September in Richtung Holland Tief bei Moerdijk aufgebrochen. Dann flog sie direkt nach Süden nach Flandern, woraufhin sie dann südöstlich Maastal bei Maastricht erreichte. Von dort folgte sie dem Maastal, über Lüttich und Namur im Süden Belgiens. Dann landete sie in einer kleinen, aber bewaldeten Region östlich von der Stadt Charleroi, wo sie die Nacht verbrachte. Am 20. September segelte sie wieder den ganzen Weg zurück in den Nordwesten, passierte die Stadt Gent und flog nach Zeeland-Flandern. Nach einer Nacht auf dem Hooge Platen in der Westerschelde flog sie östlich von Borssele nach Norden und passierte später die Oosterschelde und die Grevelingen, von wo aus sie über das Haringvliet zurück in den Biesbosch kam (Abb. 1). Das junge Seeadlerweibchen von Hellegatsplaten machte zwischen dem 10. und 11. September einen längeren Ausflug in das Torfwiesengebiet bei Kamerik, östlich von Utrecht. Vom 19. bis 21. September flog sie nach Norden, durch die Utrechtse Torfwiesen über Amsterdam zu den Dünen an die Nordseeküste. Von hier aus flog sie am nächsten Tag zurück zum Haringvliet. Obwohl der Vogel während der Reise die bebauten Stadtgebiete so weit wie möglich zu vermeiden versuchte, überflog er dennoch große städtische Siedlungsgebiete (Abb. 1).
Brutbestandsentwicklung
Die Anzahl der in den Niederlanden brütenden Seeadlerpaare stieg erst vier Jahre nach der ersten erfolgreichen Seeadlerbrut im Jahr 2006 auf 2-3 Paare (van Rijn & Dekker 2016). Ab 2014 beschleunigte sich die Zunahme und die Besiedlung umfasste alle Regionen mit großen Gewässern, Feuchtgebieten und Seen. Die Region IJsselmeer beherbergt derzeit die größte Anzahl an Brutpaaren (van Rijn et al. 2018). Vorläufig sind die Seeadlernester fast alle in den ruhigsten Teilen der großen Naturschutzgebiete oder an Orten, wo es nur wenige Menschen gibt. In Gebieten mit vielen menschlichen Aktivitäten oder leichter Zugänglichkeit von Nistplätzen werden die Menschen von der unmittelbaren Umgebung des Brutgebietes durch Horstschutzzonen und die Überwachung durch Vor-Ort-Betreuer ferngehalten.
Die Informationen über die Raumnutzung von den besenderten Vögeln geben einen Hinweis auf die Lage und die Merkmale von attraktiven Nahrungsgebieten und Rastplätzen. Unsere Hypothese ist, dass selbst Bereiche mit einem großem Nahrungsangebot (Wasservögel und Fische) in einigen Fällen, z.B. während sonnigen Wetters an Feiertagen und Wochenenden, aufgrund der starken menschlichen Aktivitäten (Wassersport, Frei- zeitaktivitäten) weniger von Seeadler aufgesucht werden. Auf der Grundlage der Senderdaten können wir solche Interaktionen nun untersuchen und die Lebensraumansprüche der Seeadler besser verstehen.
Nahrungsverfügbarkeit
In die neuen Natura2000- Managementpläne für das Gebiet Oostvaardersplassen wurde als weitreichende Maßnahme eine Renaturierung der Schilfzonen aufgenommen. Demnach soll versucht werden über eine vorübergehende Senkung des Wasserspiegels, das Schilfwachstum anzuregen und neue großflächige Zonen mit Schilfsümpfen entstehen zu lassen. Sie dienen als Lebensraum für zahlreiche Sumpfvogelarten wie Entenvögel, Rohrweihe, Rohrdommel, Bartmeise, Schilfrohr- sänger und andere Arten.
Das Wasserstandsmanagement wird in verschiedenen Phasen durchgeführt, so dass etwa die Hälfte des Gebietes weiterhin als Vogelschutzgebiet und Lebensraum für Wasserfledermäuse, Fischotter und Biber fungieren kann. Im Sommer 2018 wurde ein Anfang gemacht. Die trockenen Sommer 2018 und 2019 ließen den Wasserspiegel jedoch schneller absinken als erwartet. Aufgrund der niedrigeren Wasserstände waren große Karpfen für Seeadler leichter verfügbar. Darüber hinaus war das Angebot an toten Fischen erhöht und lockte im August bis zu 13 nahrungssuchende Seeadler an. Es waren hauptsächlich immature Vögel, die oft in Gruppen auftraten. Auch die beiden jungen Flevoland-Adler, die im Juni mit einem GPS-Logger ausgestattet wurden, gehörten zu dieser Gruppe.
Windparks
Abb. 3: Blick über den Seeadlerlebensraum Hellegatsplassen im Hollands Diep-Polder Krammer-Volkerak/NL
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Die vier besenderten Seeadler sind bereits mehrmals in Gebiete mit Windkraftanlagen geflogen, insbesondere die beiden Vögel in Flevoland. In Flevoland sind bereits Seeadler mit Windturbinen kollidiert, hiervon waren immer junge bzw. immature Vögel betroffen (de Roder & Bijlsma 2009, Buij & Jansman 2019). Auch subadulte Vögel werden häufig Opfer von Kollisionen in Windparks, so das Ansiedlungsversuche in der Umgebung vorzeitig zu Nichte gemacht werden (Dahl et al. 2013). Es ist also nicht ausgeschlossen, dass von den besenderten Seeadler früher oder später einer der Vögel mit einer Windkraftanlage kollidiert. Am Ende der aktuell laufenden Untersuchungen sollen u.a. auch die Kollisionsrisiken der Seeadler ermittelt werden.
Danksagung
Wir danken Staatsbosbeheer (Spijk-Bremerberg, Hellegatplaten und Dordtse Biesbosch) und der Flevo-Landschaft (Lepelaarplassen) für die erteilten Genehmigungen und die Unterstützung. Die Arbeit wird von der Arbeitsgruppe Seeadler Niederlande in Zusammenarbeit mit Wageningen Environmental Research durchgeführt. Das Projekt wird finanziert durch die Provinzen Flevoland und Südholland sowie vom Fürst Bernhard Kulturfonds. Die Wanderwege der besenderten Seeadler können online verfolgt werden: portal.werkgroepzeearend.nl
Literatur
Buij R. & Jansman H. (2019): Wederom een dode Zeearend Haliaeetus albicilla door een aanvaring met een windturbine in Flevoland. De Takkeling 27: 138-145.
Dahl E.L., May R., Hoel P.L., Bevanger K., Pedersen H.C., Røskaft E. & Stokke B.G. (2013): White-tailed eagles Haliaeetus albicilla at the Smøla windpower plant, Central Norway, lack behavioral flight responses to wind turbines. Wildlife Society Bulletin 37: 66-74.
Rijn S. van, Zijlstra M. & Bijlsma R.G. (2010): Wintering White-tailed Eagles Haliaeetus albicilla in The Netherlands: aspects of habitat scale and quality. Ardea 98: 373 - 382.
Rijn S. van & Dekker J.J.A. (2016): Zeearenden in Nederland. Een kennisoverzicht van de verzamelde gegevens tot en met 2016 en een onderzoeksplan. Rapport 2016-03. Jasja Dekker Dierecologie & Delta Milieu, Arnhem/Culemborg.
Rijn S. van, van den Berg A., de Boer P., Dekker J., Deuzeman S., van Straalen D. & Kleefstra R. (2018): Broedende Zeearenden in Nederland in 2006-2018. Limosa 92: 3-15.
Rijn S. van, van den Berg A., de Boer P., Dekker J., Deuzeman S., van Straalen D. & Kleefstra R. (2019): Broedende Zeearenden Haliaeetus albicilla in Nederland in 2019. De Takkeling 27: 204-209.
Roder F.E. de & Bijlsma R.G. (2009): Zeearend Haliaeetus albicilla in Oostelijk Flevoland gedood door windturbine. De Takkeling 17: 68-73.
Stef van Rijn, Peter de Boer, Ralph Buij, Jasja Dekker, Symen Deuzeman & Dirk van Straalen
Werkgroep Zeearend Nederland
(Übersetzung: Bernd Struwe-Juhl)
Über die Arbeit mit Seeadlern in Westmecklenburg (2020)
Altvogel und Jungvogel (im 2ten Kleid) landen gemeinsam im Flachwasser der fischreichen Elbe.(Foto: Piter Wichers) |
Daten aus der Region West
Mecklenburg-Vorpommern kennzeichnet mit ca. 400 Revierpaaren das Hauptverbreitungsgebiet des Seeadlers in Deutschland. Zur Verwaltung dieses Bestandes ist die Projektgruppe mittlerweile in vier Regionen (West, Nord, Ost und Mitte) mit annähernd gleichen Bestandszahlen aufgeteilt. Die Grenzen der Regionen sind durch Forstamtshoheiten definiert, wobei die Ostgrenze der Region West grob durch die Achse „Rostock – Tessin - Krakow am See - Plau am See“ zu beschreiben ist. Darüber hinaus grenzt die Region an die Bundesländer Brandenburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Der Bestand des Seeadlers in der Region West hat sich seit dem Jahr 1990 von 23 Revieren bis zum Jahr 2020 auf 118 Reviere mehr als verfünffacht. Die größten Konzentrationen werden im Bereich der Mecklenburgischen Seenplatte erreicht. Die kürzeste Entfernung benachbarter Brutplätze beträgt aktuell 960 m. Der Anteil der innerhalb von 24 Schutzgebieten (SPA, NSG, Biosphärenreservate) befindlichen Reviere liegt bei 33 % (39 Reviere). Der Revierbestand nimmt aktuell um 4 % jährlich zu, wobei neben einer Verdichtung der Konzentrationsgebiete Ansiedlungen in für den Seeadler suboptimale Bruthabitate zu verzeichnen sind. Auffällig ist die Ansiedelung in der Nähe von Freilandgeflügelfarmen, die in den gewässerärmeren Regionen zwischen Wittenburg, Hagenow und Ludwigslust eine alternative Nahrungsquelle darstellen. Neben den typischen Brutplätzen in großen Waldgebieten nehmen die Anteile von Brutplätzen in Feldgehölzen, Baumreihen und Einzelbäumen deutlich zu. Als Horstbäume dominieren nach wie vor Kiefer (42,7 %) und Buche (40,2 %), jedoch hat der Anteil an Pappeln (9,8 %) in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Eiche, Esche, Douglasie und Fichte werden als Brutbaum nur vereinzelt genutzt.
Durch die Zunahme der Reviere ist eine Abnahme der “tatsächlichen” Brutbeginne gegenüber der Gesamtrevierpaaranzahl zu verzeichnen. Zwischen 2011 und 2020 sank die Quote von 85,7 % auf 75,2 %. Die Fortpflanzungsziffer (Junge je begonnene Brut) lag in diesem Zeitraum relativ konstant bei einem Durchschnittswert von 0,96. Die Brutgröße (Junge je erfolgreiche Brut) liegt im Schnitt ebenfalls gleichbleibend bei einem Wert von 1,49.
Brutverbreitung und Siedlungsdichte des Seeadlersin Westmecklenburg 2020 |
Gegenüber 2019 haben im Jahr 2020 35,9 % aller Paare innerhalb ihrer Reviere einen neuen Horst errichtet. Jedes Jahr entstehen in der Region West somit ca. 40 neue Seeadler-Nester.
32,9 % aller Paare, die 2020 mit der Brut begonnen hatten, hatte keinen Bruterfolg. Im Jahr 2019 lag dieser Wert bei 26,7 %. Zurückzuführen ist dies vermutlich auch auf die vermehrten Störungen an den Brutplätzen durch die erhöhte Anwesenheit von Menschen, die sich aufgrund der Corona- Maßnahmen häufiger in den Wäldern aufhielten. Es ist aufgrund der aktuellen Situation zu erwarten, dass sich dieser Umstand auch auf die Bruten des nächsten Jahres auswirken wird.
Die Arbeit der Seeadler-Projektgruppe in der Region West
Die Seeadler-Projektgruppe in der Region West besteht aktuell aus 18 aktiven Horstbetreuern und mehreren Helfern. Im November jedes Jahres werden die Jahresergebnisse im Rahmen einer Tagung besprochen, Vorträge gehalten, Erfahrungen ausgetauscht und Ziele für die neue Brutsaison definiert.
Zur Bruterfolgskontrolle kommen seit 2018 neben der klassischen Erfassung mittels Fernglas und Spektiv systematisch Drohnen zum Einsatz. Durch die damit verbundene Genauigkeit der Anzahl der Jungvögel und die geringe Störungszeit (ca. 1 bis 3 Minuten je Nest) bleibt die Datenqualität konstant hoch. Bei der Verwendung der Fluggeräte durch geübte Piloten wird grundsätzlich auf die Witterung sowie anwesende Altvögel geachtet. Vögel und Drohne sind dabei ständig im direkten Blickfeld. Die Fluggeräte wurden durch die Altadler bisher nicht attackiert. Eine Brutaufgabe nach dem Einsatz ab Anfang Mai ist nicht bekannt.
Seit dem Jahr 2019 hat darüber hinaus die Beringung von Jungadlern durch den Betreuerwechsel innerhalb der Region an Bedeutung wieder stark zugenommen. Seither werden jährlich über 80 % der nicht flüggen Seeadler beringt.
Zur Optimierung der Arbeitsabläufe wurde im Winter 2019/2020 ein Onlineportal eingerichtet, welches seit Anfang 2020 unter www.seeadler-mv.de zum Einsatz kommt. Hier können die Beobachtungen nun durch die Horstbetreuer zeitnah direkt in eine Datenbank eingetragen werden, wobei der Regionalkoordinator und weitere dem Standort zugewiesene Beobachter umgehend per E-Mail über den neuen Status im Revier informiert werden.
Aktuell ist das Onlineportal für die Arbeit der Horstbetreuer in den Seeadlerrevieren ausgelegt. Mittelfristig soll die Plattform zusätzlich als Informationsportal für Seeadlerinteressierte dienen. Neben allgemeinen Informationen zur Jahresphänologie der Adler sollen hier die Arbeitsweise der Projektgruppe, Literaturhinweise und Publikationen aus der Region veröffentlicht werden – vergleichbar mit der bestehenden Webseite der Projektgruppe Seeadlerschutz Schleswig- Holstein e.V..
René Feige
www.seeadler-mv.de
Aktuelles vom Seeadlerschutz in Bayern und Baden-Württemberg
Der Brutbestand des Seeadlers hat in Bayern im Jahr 2019 gegenüber den Vorjahren weiter zugenommen. Insgesamt wurden von nachweislich 17 Brutpaaren mindestens 17 Jungadler flügge, mindestens weitere drei Jungvögel haben das Beringungsalter aus unbekannten Gründen nicht erreicht. Fast alle anderen Jungvögel konnten beringt werden. Zwei bereits besetzte Horste wurden durch Stürme Ende Februar bzw. Anfang März herabgeweht, in einem davon befand sich bereits ein Ei. Dieses Paar blieb ohne Nachwuchs, das andere Paar hat in einem Ausweichhorst erfolgreich zwei Junge aufgezogen. Mindestens ein weiteres bereits belegtes Nest wurde nach den Stürmen verlassen. Letztlich waren damit 12 der 17 Brutpaare erfolgreich.
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Der Verbreitungsschwerpunkt der Seeadler Bayerns liegt in der Oberpfalz, unmittelbar angrenzend an die große Brutpopulation Tschechiens. Die meisten bayerischen Seeadler leben in den weitläufigen Teichgebieten der nördlichen und mittleren Oberpfalz. Aber auch in den angrenzenden Regierungsbezirken Ober- und Mittelfrankens sowie in Niederbayern ist der Seeadler mit vereinzelten Brutpaaren vertreten. In Schwaben kam es 2019 erstmals zu einer erfolgreichen Brut durch ein Paar, das in den Jahren zuvor noch in Mittelfranken gebrütet hatte und umgezogen war. Auch in diesen Regionen sind Karpfenteiche die bevorzugten Lebensräume der Seeadler, ebenso wie große Stauseen (z.B. der Altmühlsee) oder die Niederungen der großen Flussläufe. Dabei spielten die Donau mit ihren Zuflüssen und der Main, die beide auf weiten Strecken immer wieder von Baggerseen gesäumt sind, die größte Rolle. Das langjährige Vorkommen am Chiemsee in Oberbayern, ist aktuell nicht mehr als Brutplatz bekannt. Aufgrund regelmäßiger Beobachtungen besteht in mindestens drei weiteren Regionen ein begründeter Verdacht auf ein Revierpaar, was für die kommende Saison auf zusätzliche Brutpaare hoffen lässt.
Brutverbreitung des Seeadlers in Bayern (2019) |
Fälle von illegaler Verfolgung beim Seeadler wurden 2019 nicht nachgewiesen. Jedoch besteht bei einem Paar der begründete Verdacht, dass die Brut wegen menschlicher Störungen aufgegeben wurde. Auch ergab sich 2018 an einer Bahnstrecke im Nordosten Bayerns der Fund eines toten Seeadlers, bei dem durch eine toxikologische Untersuchung das Rattengift Coumatetralyl nachgewiesen wurde. Bei einem weiteren Totfund eines adulten Seeadlers wurden weder durch die röntgenologische noch durch die pathologischen Untersuchungen Auffälligkeiten entdeckt. Warum der Vogel schließlich verhungert ist, konnte nicht geklärt werden.
Das Monitoring der Seeadler in Bayern erfolgt in Kooperation zwischen den Naturschutzbehörden, den Forstbetrieben und -verwaltungen und ehrenamtlich tätigen Vogelschützern. Es wird durch das Artenhilfsprojekt „Fisch- und Seeadler“ der Höheren Naturschutzbehörde an der Regierung der Oberpfalz in Regensburg koordiniert und betreut. Jedes Seeadlerrevier wird von einem bzw. mehreren Horstbetreuern überwacht. Da sich der Großteil der Horste im Staats- bzw. Bundesforst befindet, sind überwiegend die jeweiligen Revierförster als Horstbetreuer tätig. Darüber hinaus engagieren sich ehrenamtliche Naturschützer, private Waldeigentümer und Jäger. Einmal im Jahr treffen sie sich zum Horstbetreuertreffen in der Oberpfalz, auf dem über die zurückliegende Saison berichtet und diskutiert wird. Regelmäßig wird die Situation der Seeadler in Bayern in der Zeitschrift Otus, in den Berichten der Arbeitsgemeinschaft Seltene Brutvögel in Bayern kurz geschildert, da Seeadler in Süddeutschland noch zu den seltenen Brutvögeln zählen. In Baden-Württemberg erfolgt dies in gleicher Weise in den Ornithologischen Jahresheften Baden-Württemberg in den Berichten der Arbeitsgruppe Seltene Brutvögel in Baden-Württemberg (SBBW).
Allerdings kam es in Baden-Württemberg auch 2019 noch zu keiner Brut, obwohl Vermutungen einer Reviergründung am Neckar zwischen Heilbronn und Heidelberg bereits im Vorjahr bestanden hatten. Leider konnte 2019 trotz gezielter Suche das Vorkommen dort nicht bestätigt werden. Auch das häufige Auftreten zumindest eines adulten Seeadlers am südlichen Oberrhein jeweils im Spätwinter der letzten Jahre führte noch nicht zu einer nachweislichen Reviergründung. Da sich aber in Ostfrankreich Seeadler seit einigen Jahren schon als erfolgreiche Brutpaare niedergelassen haben, ist auf eine baldige Ansiedlung auch in Baden-Württemberg zu hoffen.
Daniel Schmidt-Rothmund und Paul Baumann
Blick auf das Teichgebiet bei Tirschenreuth/Oberpfalz in Bayern |