Der Seeadler als Brutvogel in Nordrhein-Westfalen
In diesem Jahr hat zum ersten Mal ein Seeadlerpaar auf der Bislicher Insel in Nordrhein-Westfalen gebrütet. Aus diesem Bundesland ist aus den letzten 200 Jahren in der ornithologischen Literatur kein Seeadlervorkommen bekannt geworden.
Die Bislicher Insel liegt als Rheininsel zwischen Ginderich und der Stadt Xanten im Kreis Wesel und ist eine der wenigen noch vorhandenen Auenlandschaften in Deutschland. Geographisch gesehen ist sie allerdings keine echte Insel sondern entstand durch Abschnürung einer Fluss-Mäanderschleife des Rheins. Die Gesamtfläche der Insel beträgt 12 km2, wovon 10,53 km2 als Naturschutzgebiet ausgewiesen sind. Im Sommer 2014 wurden von Mitgliedern der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft Rheinberg zwei Seeadler im Orsoyer Rheinbogen beobachtet und am 1. September erstmals auch auf der Bislicher Insel. Die beiden immaturen Seeadler hielten sich dann durchweg in der Umgebung der Bislicher Insel auf und zeigten ein sehr vertrautes Verhalten untereinander.
Ende September 2016 konnte ich dann den ersten Seeadler mit einem großen Ast im Fang beobachten. Am 22. November 2016 beobachtete Thomas Wiesner von einer Beobachtungshütte aus, wie beide Adler intensiv mit dem Bau eines Horstes beschäftigt waren. Der Horst wurde im Naturschutzgebiet auf einer Pappel errichtet. Am nächsten Tag wurde von mir die Vogelwarte Nordrhein-Westfalen, die zuständige Untere Naturschutzbehörde und der Regionalverband Ruhr über die Ansiedlung des Seeadlerpaares informiert. Bei der Unteren Naturschutzbehörde wurde Stephanie Krüßmann mit der Planung zum Schutz des Horstes beauftragt.
Die Bislicher Insel am Niederrhein bei Xanten ist seit 2017 ein erfolgreicher Seeadlerbrutplatz |
Bis Anfang Januar 2017 lief die Ansiedlung ohne Störungen im Horstbereich ab. Das änderte sich aber mit dem Zufrieren des Altrheines am 22. Januar 2017. Dvon da an waren plötzlich 20-30 Schlittschuhläufer auf dem Altrhein unterwegs und es wurden auch direkt vor dem Horstbaum Pirouetten gedreht. Bei meinem Eintreffen habe ich zunächst an die Vernunft der Schlittschuhläufer appelliert und siehe da, die meisten sind meiner Bitte nachgekommen das Eis zum Schutz der Vögel zu verlassen. Die Seeadler saßen zu diesem Zeitpunkt etwa 400 Meter vom Horst entfernt und trauten sich nicht den Horst anzufliegen, den sie bis dahin bereits fast jeden Abend aufgesucht hatten. Da einige Schlittschuhläufer nicht bereit waren, das Eis zu verlassen, musste ich das Ordnungsamt der Stadt Xanten bitten, den Altrhein zu räumen. Damit die junge Dame vom Ordnungsamt auch erst genommen wurde, haben Jörg Kremer und ich sie dabei unterstützt.
Im Laufe des Frühjahrs konnte zudem eine Einigung mit den Anglern gefunden werden und die Untere Naturschutzbehörde ließ das Umfeld des Horstes von ihren Mitarbeitern sporadisch überwachen. Am 12. März 2017 begannen die Seeadler mit der Brut, so dass mit dem Schlupf der Jungadler um den 20. April gerechnet werden konnte. Am 22. April wurde dann von Robert Willecke, Dominik Baumann und von mir Aktivitäten am Horst festgestellt, die auf einen Bruterfolg schließen ließen. Am 3. Mai konnte ich beobachten, wie ein Altvogel fütterte; am 4. und 5. Mai konnten Reinhard Landes, Alfred Beckmann und ich dann endlich zwei kleine Jungvögel auf dem Horst beobachten und den Bruterfolg auch fotografisch dokumentieren. Nach Rücksprache mit allen beteiligten Personen wurde in diesem Jahr auf eine Beringung der Jungadler verzichtet. Die beiden Jungvögel haben am 8. Juli 2017 den Horst verlassen, was ein sehr schöner Erfolg für den Natur- und Artenschutz im Kreis Wesel und letztlich auch für das Land Nordrhein-Westfalen ist.
Ganz herzlich bedanken möchte wir uns deshalb bei Herrn Janzen vom Regionalverband Ruhr und seinen Mitarbeitern, die alles getan haben, dass von Seiten der Grundstücksnutzung, Jagd und Vertragsnaturschutz, keine Störungen der Adler auftreten konnten. Ferner auch bei Herrn Horstmann, dem Leiter der Unteren Naturschutzbehörde des Kreises Wesel, und seinen Mitarbeiter/innen, die für meine Anregungen während der Brutzeit immer ein offenes Ohr hatten und die während der störungsempfindlichen Phase der Balz- und Brutzeit auch an den Wochenenden dort viele Überstunden geleistet haben.
Ingbert Schwinum
Nordrhein-Westfälische Ornithologengesellschaft e. V.