Erste Ergebnisse von jungen Niederländischen Seeadlern mit GPS- Sendern

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Abb. 1: Flugbewegungen der vier besenderten niederländischen Seeadler im Zeitraum 15. August bis 15. November
2019.

In den letzten Jahren ist die Anzahl der Seeadler in den Niederlanden auf 16 Brutpaare angestiegen (van Rijn et al. 2019). Fragen zur Habitatnutzung und Ausbreitungsbewegung der Seeadler sowie der Sterblichkeit der in den Niederlanden geborenen Vögel können nur unzureichend mit Hilfe der Beringung beantwortet werden. Dieses Wissen kann durch den Einsatz neuer Techniken effektiver erreicht werden, insbesondere mit den neuesten GPS-GSM-Loggern. Solche Logger liefern detaillierte Informationen über Flugbewegungen und geben Einblicke in die Habitatwahl, die Ausbreitung und die Siedlungsmuster von Tieren unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Herkunft. Zudem liefert diese Technik Antworten auf Fragen bezüglich der Habitateignung bzw. der Störanfälligkeit von Gebieten für Seeadler. Es kann auch festgestellt werden, wo unnatürliche Todesfälle auftreten, wie z.B. Abschuss, akute Vergiftung, Sekundärvergiftung und Zusammenstöße mit Hochspannungsleitungen, Windturbinen und Verkehr.

Methode

Für die Forschung werden GPS-GSM-Logger der Firma Ornitela (OrniTrack-50 Logger) verwendet. Diese wiegen 50 Gramm und werden mit einem Teflonband auf dem Rücken der jungen Seeadler befestigt, wobei diese mindestens 50 Tage alt sein müssen. Die Sender senden, über eine 3G- Verbindung, zweimal täglich Daten mit Positionen auf der Grundlage von 5-10-Minuten-Intervallen, die auch Bewegungsgeschwindigkeit, Temperatur und Höhe registrieren. Die Daten werden täglich überprüft, um sicherzustellen, dass Todesfälle rechtzeitig wahrgenommen werden, um die Vögel ggf. zu bergen und die Todesursache zu bestimmen. In Gebieten mit Windturbinen wird alle drei Sekunden die genaue Position erfasst, um die Flugbewegungen und das Verhalten der Seeadler im Bereich der Windparks detailliert aufzuzeichnen.
Im Jahr 2019 wurden vier junge Seeadler mit solchen GPS-GSM-Loggern ausgerüstet, und zwar zwei Männchen und zwei Weibchen. Im Zeitraum 2020-2021 sollen sechs weitere Jungvögel mit Loggern ausgestattet werden. Da die Installation von Sendern an Vögeln rechtlich einen Tierversuch darstellt, wurde eine Genehmigung nach dem Tierversuchsgesetz beantragt.

Ergebnisse

Nachdem die vier jungen Seeadler im Sommer 2019 erfolgreich ausgeflogen waren, machten die Vögel ab August zunehmend größere Ausflüge außerhalb des unmittelbaren Brutgebietes. Der Bewegungsradius war je nach Vogel unterschiedlich. Die steigende Zahl der Ausflüge ist ein Anzeichen dafür, dass die Vögel zunehmend eine elternunabhängige Existenz anstreben. Der Seeadler aus Spijk-Bremerberg machte am 21. August 2019 eine Erkundungstour über die Utrechtse Heuvelrug, den Nederrijn und die Veluwe. Zwischen dem 29. August und 12. September reiste der Vogel über Schleswig- Holstein, Norddeutschland und Belgien nach Nord- Frankreich. Die meiste Zeit wurde in Norddeutschland verbracht, wo der Vogel die Einzugsgebiete von Elbe, Oste und Eider über- querte.

Nachdem das junge Seeadlermännchen von Lepelaarplassen am 30. August einen Ausflug in die Veluwe gemacht hatte, reiste es am 1. September in die Veluwe. Zwischen dem 2. und 8. September navigierte es von Veluwe aus, genau wie der Vogel aus Spijk-Bremerberg, in nordöstlicher Richtung bis nach Deutschland. Für kurze Zeit besuchte es das Einzugsgebiet der IJssel und dann vor allem verschiedene Torfmoorgebiete in Niedersachsen. Auf dem Rückweg passierte der Jungadler die Mündung des Ems-Dollard-Gebietes östlich von Groningen (Abb. 1).

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Abb. 2: Diesjährige Seeadler lassen sich gut an dem dunklen Schnabel, dem schokoladen-braunen Gefieder und de Tropfenflecken auf dem Rückengefieder und den Flügeldecken erkennen. (Foto: Olaf Koch)

Das junge Seeadlerweibchen aus dem Dordtse Biesbosch ist am 19. September in Richtung Holland Tief bei Moerdijk aufgebrochen. Dann flog sie direkt nach Süden nach Flandern, woraufhin sie dann südöstlich Maastal bei Maastricht erreichte. Von dort folgte sie dem Maastal, über Lüttich und Namur im Süden Belgiens. Dann landete sie in einer kleinen, aber bewaldeten Region östlich von der Stadt Charleroi, wo sie die Nacht verbrachte. Am 20. September segelte sie wieder den ganzen Weg zurück in den Nordwesten, passierte die Stadt Gent und flog nach Zeeland-Flandern. Nach einer Nacht auf dem Hooge Platen in der Westerschelde flog sie östlich von Borssele nach Norden und passierte später die Oosterschelde und die Grevelingen, von wo aus sie über das Haringvliet zurück in den Biesbosch kam (Abb. 1). Das junge Seeadlerweibchen von Hellegatsplaten machte zwischen dem 10. und 11. September einen längeren Ausflug in das Torfwiesengebiet bei Kamerik, östlich von Utrecht. Vom 19. bis 21. September flog sie nach Norden, durch die Utrechtse Torfwiesen über Amsterdam zu den Dünen an die Nordseeküste. Von hier aus flog sie am nächsten Tag zurück zum Haringvliet. Obwohl der Vogel während der Reise die bebauten Stadtgebiete so weit wie möglich zu vermeiden versuchte, überflog er dennoch große städtische Siedlungsgebiete (Abb. 1).

Brutbestandsentwicklung

Die Anzahl der in den Niederlanden brütenden Seeadlerpaare stieg erst vier Jahre nach der ersten erfolgreichen Seeadlerbrut im Jahr 2006 auf 2-3 Paare (van Rijn & Dekker 2016). Ab 2014 beschleunigte sich die Zunahme und die Besiedlung umfasste alle Regionen mit großen Gewässern, Feuchtgebieten und Seen. Die Region IJsselmeer beherbergt derzeit die größte Anzahl an Brutpaaren (van Rijn et al. 2018). Vorläufig sind die Seeadlernester fast alle in den ruhigsten Teilen der großen Naturschutzgebiete oder an Orten, wo es nur wenige Menschen gibt. In Gebieten mit vielen menschlichen Aktivitäten oder leichter Zugänglichkeit von Nistplätzen werden die Menschen von der unmittelbaren Umgebung des Brutgebietes durch Horstschutzzonen und die Überwachung durch Vor-Ort-Betreuer ferngehalten.

Die Informationen über die Raumnutzung von den besenderten Vögeln geben einen Hinweis auf die Lage und die Merkmale von attraktiven Nahrungsgebieten und Rastplätzen. Unsere Hypothese ist, dass selbst Bereiche mit einem großem Nahrungsangebot (Wasservögel und Fische) in einigen Fällen, z.B. während sonnigen Wetters an Feiertagen und Wochenenden, aufgrund der starken menschlichen Aktivitäten (Wassersport, Frei- zeitaktivitäten) weniger von Seeadler aufgesucht werden. Auf der Grundlage der Senderdaten können wir solche Interaktionen nun untersuchen und die Lebensraumansprüche der Seeadler besser verstehen.

Nahrungsverfügbarkeit

In die neuen Natura2000- Managementpläne für das Gebiet Oostvaardersplassen wurde als weitreichende Maßnahme eine Renaturierung der Schilfzonen aufgenommen. Demnach soll versucht werden über eine vorübergehende Senkung des Wasserspiegels, das Schilfwachstum anzuregen und neue großflächige Zonen mit Schilfsümpfen entstehen zu lassen. Sie dienen als Lebensraum für zahlreiche Sumpfvogelarten wie Entenvögel, Rohrweihe, Rohrdommel, Bartmeise, Schilfrohr- sänger und andere Arten.

Das Wasserstandsmanagement wird in verschiedenen Phasen durchgeführt, so dass etwa die Hälfte des Gebietes weiterhin als Vogelschutzgebiet und Lebensraum für Wasserfledermäuse, Fischotter und Biber fungieren kann. Im Sommer 2018 wurde ein Anfang gemacht. Die trockenen Sommer 2018 und 2019 ließen den Wasserspiegel jedoch schneller absinken als erwartet. Aufgrund der niedrigeren Wasserstände waren große Karpfen für Seeadler leichter verfügbar. Darüber hinaus war das Angebot an toten Fischen erhöht und lockte im August bis zu 13 nahrungssuchende Seeadler an. Es waren hauptsächlich immature Vögel, die oft in Gruppen auftraten. Auch die beiden jungen Flevoland-Adler, die im Juni mit einem GPS-Logger ausgestattet wurden, gehörten zu dieser Gruppe.

Windparks

NL Lebensraum
Abb. 3: Blick über den Seeadlerlebensraum Hellegatsplassen im Hollands Diep-Polder Krammer-Volkerak/NL
(Foto: Dirk van Straalen)

Die vier besenderten Seeadler sind bereits mehrmals in Gebiete mit Windkraftanlagen geflogen, insbesondere die beiden Vögel in Flevoland. In Flevoland sind bereits Seeadler mit Windturbinen kollidiert, hiervon waren immer junge bzw. immature Vögel betroffen (de Roder & Bijlsma 2009, Buij & Jansman 2019). Auch subadulte Vögel werden häufig Opfer von Kollisionen in Windparks, so das Ansiedlungsversuche in der Umgebung vorzeitig zu Nichte gemacht werden (Dahl et al. 2013). Es ist also nicht ausgeschlossen, dass von den besenderten Seeadler früher oder später einer der Vögel mit einer Windkraftanlage kollidiert. Am Ende der aktuell laufenden Untersuchungen sollen u.a. auch die Kollisionsrisiken der Seeadler ermittelt werden.

Danksagung

Wir danken Staatsbosbeheer (Spijk-Bremerberg, Hellegatplaten und Dordtse Biesbosch) und der Flevo-Landschaft (Lepelaarplassen) für die erteilten Genehmigungen und die Unterstützung. Die Arbeit wird von der Arbeitsgruppe Seeadler Niederlande in Zusammenarbeit mit Wageningen Environmental Research durchgeführt. Das Projekt wird finanziert durch die Provinzen Flevoland und Südholland sowie vom Fürst Bernhard Kulturfonds. Die Wanderwege der besenderten Seeadler können online verfolgt werden: portal.werkgroepzeearend.nl

Literatur

Buij R. & Jansman H. (2019): Wederom een dode Zeearend Haliaeetus albicilla door een aanvaring met een windturbine in Flevoland. De Takkeling 27: 138-145.
Dahl E.L., May R., Hoel P.L., Bevanger K., Pedersen H.C., Røskaft E. & Stokke B.G. (2013): White-tailed eagles Haliaeetus albicilla at the Smøla windpower plant, Central Norway, lack behavioral flight responses to wind turbines. Wildlife Society Bulletin 37: 66-74.
Rijn S. van, Zijlstra M. & Bijlsma R.G. (2010): Wintering White-tailed Eagles Haliaeetus albicilla in The Netherlands: aspects of habitat scale and quality. Ardea 98: 373 - 382.
Rijn S. van & Dekker J.J.A. (2016): Zeearenden in Nederland. Een kennisoverzicht van de verzamelde gegevens tot en met 2016 en een onderzoeksplan. Rapport 2016-03. Jasja Dekker Dierecologie & Delta Milieu, Arnhem/Culemborg.
Rijn S. van, van den Berg A., de Boer P., Dekker J., Deuzeman S., van Straalen D. & Kleefstra R. (2018): Broedende Zeearenden in Nederland in 2006-2018. Limosa 92: 3-15.
Rijn S. van, van den Berg A., de Boer P., Dekker J., Deuzeman S., van Straalen D. & Kleefstra R. (2019): Broedende Zeearenden Haliaeetus albicilla in Nederland in 2019. De Takkeling 27: 204-209.
Roder F.E. de & Bijlsma R.G. (2009): Zeearend Haliaeetus albicilla in Oostelijk Flevoland gedood door windturbine. De Takkeling 17: 68-73.

 

Stef van Rijn, Peter de Boer, Ralph Buij, Jasja Dekker, Symen Deuzeman & Dirk van Straalen

Werkgroep Zeearend Nederland Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. aus: De Takkeling (2020) 28: 55-61
(Übersetzung: Bernd Struwe-Juhl)