Zur aktuellen Situation des Seeadlers in Österreich (2015)
Ähnlich wie in vielen anderen Gebieten Mitteleuropas ist die Bestandsentwicklung des Seeadlers auch in Österreich positiv. Wie aus Abb. 1 ersichtlich, brüteten 2015 24 Paare auf Bundesgebiet. Wegen der schwierigen Erfassbarkeit einiger Regionen, v. a. der ausgedehnten Koniferenwälder des Waldviertels, ist mit einem tatsächlichen Brutbestand von 25 bis 30 Paaren zu rechnen. Der Anteil erfolgreicher Paare betrug in diesem Jahr 62,5 %. Der Gesamtbruterfolg lag bei 1,00 Junge pro Paar und die Brutgröße bei 1,60 Jungadler pro erfolgreichem Paar. Damit hat der Seeadler die meisten der für ihn geeigneten Gewässer östlich der Alpen besiedelt. Die Art ist auf dem besten Weg, die 30 bis 50 in einer Diplomarbeit für Österreich modellierten Brutpaare auch tatsächlich zu realisieren! Ein weiteres Ansiedelungspotential besteht vor allem noch im Waldviertel, an der Donau westlich von Wien und in diversen Teichgebieten. Bemerkenswert war 2015 eine Brut im östlichen Weinviertel, wobei der als Horstwald genutzte Robinienhain mitten in einer ausgedehnten, niederwildreichen Agrarlandschaft - ohne jeglichem Zugang zu einer Wasserfläche - lag.
Abb. 1: Brutbestandsentwicklung des Seeadlers in Österreich seit der Wiederbesiedlung in den späten 1990er Jahren (nach Probst 2009, aktualisiert). |
Aus dem Winterhalbjahr kann man von 188 Seeadlern berichten, welche sich bei der Synchronzählung im Januar 2015 in Österreich und den unmittelbar angrenzenden Gebieten der Nachbarländer aufhielten (Abb. 2). Man kann davon ausgehen, dass etwa 140 Adler (75 %) regelmäßig bis überwiegend in Österreich anwesend sind.
Darüber hinaus wurde schon im Jahr 2014 im Rahmen des Projekts DANUBEPARKS Step 2.0 (www.danubeparks.org) unter der Leitung des Nationalparks Donau-Auen erstmals eine donauweite Winterzählung der Seeadler durchgeführt. Dabei konnten rund 700 Seeadler erfasst werden, eine entsprechende Publikation ist zwischenzeitlich erschienen (Probst et al. 2014).
Abb. 2: Langzeitentwicklung der Seeadler-Winterbestände in Österreich. Weiße Säulen stellen Jahre ohne Synchronzählungen, also reine Auswertungen von Zufallsbeobachtungen, dar. Mischfarbige Säulen markieren Jahre mit Synchronzählungen, wobei aber, bedingt durch Schlechtwetter oder der Erfassung in nicht allen Verbreitungszentren, nur ein unvollständiger Datensatz für Österreich vorliegt. Rote Balken markieren eine vollständige Erhebung mittels Synchronzählungen aller wesentlichen Überwinterungsgebiete (Donau-March-Thaya-Auen und nördliches Burgenland) bei guten Sichtbedingungen. |
Die Beringung von Jungvögeln wurde weitergeführt, wobei die Fernfunde ab- bzw. einwandernder Adler aus Abb. 3 ersichtlich werden. Vereinfacht kann man sagen, dass sich in Mitteleuropa ein breiter, ungerichteter Austausch von Dispersionswegen abzeichnet, es aber auch gerichtete Pendelzüge aus dem Baltikum, dem nordöstlichen Fennoskandien und aus dem Bereich der russischen Kola-Halbinsel gibt.
Abb. 3: Fernfunde von in Österreich beringten bzw. wiedergefundenen Seeadlern. Rotes Dreieck = Beringungort, grüner Punkt = Ort des Wiederfunds. Die schwarze Linie verbindet nur Beringungsort und Wiederfundort innerhalb einer Saison bis zum 1. April des Folgejahres nach der Beringung (nach M. Schmidt, Quelldaten: Vogelwarte Radolfzell & EURING, Stand: 20. Juli 2015) |
2015 wurde erstmals für Österreich mit der Satellitentelemetrie von Seeadlern begonnen. In Kooperation mit dem Nationalpark Donau-Auen konnten zwei Jungadler besendert werden. Der männliche Jungadler „Rudolph“ zog über Budapest bis in die Gegend des Nationalparks Hortobágyi in Ostungarn. Leider verliert sich dort Ende August seine Spur und aufgrund der Umstände kann ein illegaler Eingriff nicht ausgeschlossen werden. Die Dispersionswege des Weibchens „Sophie“ führen in die Slowakei, nach Tschechien und schließlich in die Oberlausitz (Stand: 27. August 2015; vgl. Abb. 4). Es ist geplant in den nächsten Jahren das Besenderungsprogramm fortzusetzen. Ausbreitungswege und die Habitatnutzung sollen erfasst, aber nicht zuletzt Mortalitätsursachen untersucht werden.
Abb. 4: Dispersionswege der beiden im Nationalpark Donau-Auen geborenen Seeadler „Sophie“ und „Rudolph“ (Stand: 27. August 2015). Karte: C. Pichler / WWF Österreich |
Remo Probst & Christian Pichler
WWF Österreich
Probst, R. (2009): Der Seeadler (Haliaeetus albicilla) in Österreich: Das WWF Österreich Seeadlerprojekt. Denisia 27: 29-50.
Probst, R., L. Bodega, D. S. Bandacu, M. Bohuš, S. Cheshmedzhiev, Á. Gábork, S. Geissler, C. V. Hodor, D. T. Ionescu, V. Koev, T. Mikuska, Z. Nagy, T. Parrag, V. Rožac, M. Schmidt, T. Schneider, M. Šćiban, S. Tatai, E. Todorov, M. Tucakov, M. Váczi & G. Frank (2014): The first comprehensive estimate of winter population of the White-tailed Eagle Haliaeetus albicilla along the Danube. Acrocephalus 35: 115-123.