Todesursachen 1997-2011 in SH

Einleitung

In Fortschreibung der Totfundanalyse von Seeadlern aus Schleswig-Holstein für die Jahre 1980 bis 1997 (vgl. Struwe-Juhl & Latendorf 1997), haben wir nach nunmehr 14 Jahren eine Aktualisierung der Ergebnisse vorgenommen. Im Zusammenhang mit den von der Projektgruppe Seeadlerschutz Schleswig-Holstein durchgeführten Artenschutzmaßnahmen wurden dabei auch tot aufgefundene Vögel medizinisch und toxikologisch untersucht, um die Todesursachen zu erforschen. Hierzu wurden viele der von uns aufgefundenen Seeadler an das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) nach Berlin eingesandt, um dsie in das langfristig angelegte Todesursachen-Untersuchungsprogramm an Seeadlern in Deutschland einzubinden (Krone et al. 2002). Ein besonderer Dank gebührt an dieser Stelle Dr. Oliver Krone, für die kooperative Zusammenarbeit und die Überlassung der veterinär-medizinischen und toxikologischen Untersuchungsergebnisse sowie der Umweltstiftung WWF Deutschland für die Finanzierung der toxikologischen Utersuchung.

Todesursachen

 Todesursachen bei Seeadlern in Zeitraum 1997-2011
Abb. 1: Todesursachen von Seeadlern in SH (nach Daten
der Projektgruppe Seeadlerschutz im Zeitraum 1997-2011).
Rote Säulen: durch Menschen verursachte Todesfälle,
grüne Säulen: natürliche Todesursachen:

Die Grundlage für unsere Betrachtung bilden nunmehr Seeadlerfunde aus den Jahren 1997 bis 2011 aus Schleswig-Holstein. In dem genannten Zeitraum wurden 105 Seeadler tot aufgefunden oder so schwer verletzt aufgegriffen, dass sie später nicht überlebten. Zu allen Funden liegen Totfundprotokolle mit eingehender Beschreibung der Fundumstände und der Vögel vor. Mit Hilfe der veterinär-medizinischen Untersuchungen im IZW konnten von insgesamt 77 Seeadlern die Todesursachen zweifelsfrei bestimmt werden (Abb. 1).
In 26 Fällen war eine Kollision der Seeadler mit den Rotorblättern von Windernergieanlagen (WEA) die Todesursache (s. Gefährdungen und Todesursachen - Windenergieanlagen). Im ersten Untersuchungszeitraum von 1980 bis 1997 gab es diese Todesursache bei Seeadlern noch nicht. Seit unserem ersten Totfund unter einer WEA im Jahr 2003 ist dies heute die häufigste Todesursache in Schleswig-Holstein. Allein dieser Ursche macht rund ein Viertel aller aktuell ermittelten Todesfälle aus. Am  zweithäufigsten starben Seeadler (15 Totfunde) durch die Kollision mit Eisenbahnen. Häufig geschieht dies, wenn die Seeadler dort an Tierkadavern fressen, die ihrerseits bereits durch Verkehrskollision angefallen sind und dann tot am Gleiskörper liegen. In je sechs Fällen kollidierten Seeadler entweder mit Stromleitungen (Trauma) oder starben in Folge eines Stromsschlages (s. Gefährdungen und Todesursachen - Tod durch Stromschlag) nach einem Landeanflug auf den Masttraversen oder Drahtseilen. Insgesamt starben 14 Seeadler in Schleswig-Holstein in Folge von Vergiftungen. Dabei konnte in sieben Fällen eine Bleivergiftung (s. Gefährdungen und Todesursachen - Vergiftung durch Bleimunition), in 4 Fällen eine Vergiftung mit Mevinphos und in einem Fall eine Vergiftung mit einem Carbamat nachgewiesen werden. Die letztgenannten Vergiftungsfälle geben einen deutlichen Hinweis auf eine illegal stattfindende Prädatorenbekämpfung, zumeist unter Einsatz von tödlich giftigen Schädlingsbekämpfungsmitteln, die illegaler Weise als Ködergifte bei der Fuchsbekämpfung eingesetzt werden (s. Gefährdungen und Todesursachen - Illegale Vergiftungen).
Somit fielen in dem Untersuchungszeitraum 1997 bis 2011 rund 64% der Seeadler "zivilisationsbedingten" Todesursachen zum Opfer, im wesentlichen durch Kollision mit Windenergieanlagen, Stromleitungen und Schienenfahrzeugen. Völlig unnötige Todesursachen wie Vergiftungen (= 13%) kommen hinzu. Während zivilisationsbedinte Todesursachen in unserer technisierten Welt kaum noch zu verhindern sind, und die Mortalität der Seeadler dadurch bereits deutlich erhöt ist, müssen zumindest die unnötigen Vergiftungen der Seeadler und anderer Greifvögel durch Aufklärungsarbeit und gegebenenfalls durch strafrechtliche Konsequenzen beseitigt werden.
Unter den natürlichen Todesursachen (10%) sind Krankheiten (8 Fälle) und Revierkämpfe mit tödlichem Ausgang (2 Fälle) zu nennen. Bei 26% aller von uns untersuchten Todesfälle blieb die genaue Todesursache unbekannt.

Alter der tot aufgefundenen Seeadler
Abb. 2: Alter der tot aufgefundenen Seeadler (n=105)

unter Windenergieanlagen aufgefundene Seeadler

Abb. 3: Alter der tot oder verletzt unter Windenergieanlagen
aufgefundene Seeadler in Schleswig-Holstein (n=26)

Alterstruktur der Totfunde

Von den 105 Totfunden konnte bei 101 Individuen anhand der Beringung oder aufgrund der Schnabel- und Gefiedermerkmale das Alter der Vögel bestimmt werden. 53% aller Totfunde waren junge bzw. subadulte Seeadler der Altersklassen 1. - 4. Kalenderjahr (Abb. 2). Die übrigen Vögel waren älter und verteilen sich den Erwartungswerten entsprechend auf die nachfolgenden Altersklassen. Mit dieser abnehmenden Verteilung entspricht die Altersstruktur der Totfunde in etwa der Alterszusammensetzung der Seeadlerpopulation in Schleswig-Holstein (vgl. Struwe-Juhl & Grünkorn 2007).
Betrachtet man für sich genommen die Altersstruktur der toten Seeadler, die an Windenergieanlagen zu Tode gekommen sind (n = 26), so starben in Schleswig-Holstein bislang mehr Jungvögel als Altvögel (Abb. 3). Unter allen WEA-Opfern waren 69% junge Vögel der Altersklasse 1. - 4. Diese Vögel streifen auf der Suche nach Nahrung und einem später geeigneten Brutteritorium weiträumig umher und können so unter Umständen aufgrund ihrer Unerfahrenheit und der fehlenden lokalen Revierkenntnisse leichter mit den Rotorblättern von Windenergieanlagen kollidieren.

Herkunft der Totfunde

64 der 105 untersuchten Seeadler trugen Ringe. 52 davon waren in Schleswig-Holstein beringt worden, neun Vögel kamen aus Mecklenburg-Vorpommern und drei aus Schweden.

Literatur

O. KRONE, T. LANGGEMACH, P. SÖMMER & N. KENNTNER (2002): Krankheiten und Todesursachen von Seeadlern ( Haliaeetus albicilla) in Deutschland. Corax 19, Sonderheft 1: 102-108.

B. STRUWE-JUHL, V. LATENDORF (1997): Todesursachen von Seeadlern (Haliaeetus albicilla) in Schleswig-Holstein, Vogelwelt 118: 95-100.

B. STRUWE-JUHL & T. GRÜNKORN (2007): Ergebnisse der Farbberingung von Seeadlern (Haliaeetus albicilla) in Schleswig-Holstein mit Angaben zu Ortstreue, Umsiedlung, Dispersion, Geschlechtsreife, Altersstruktur und Geschwisterverpaarung. Vogelwelt 128: 117-129

Bernd Struwe-Juhl & Volker Latendorf, Projektgruppe Seeadlerschutz